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Blutträume

Blutträume

Titel: Blutträume
Autoren: Kay Hooper
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legt? Hat er deshalb Boston verlassen?«
    »Ich nehme an, das trifft zumindest teilweise zu. Ihm ging es nicht um das Rampenlicht, um Aufmerksamkeit. Er wollte nie die Polizei dazu bringen, sich mit seinen Fähigkeiten und seinem Willen zu messen. Diese Art Mörder ist er nicht, darum geht es ihm nicht.«
    »Worum geht es ihm dann?«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen darauf eine halbwegs plausible Antwort geben, doch Sie wissen, dass ich das nicht kann. Das ist das Vertrackte bei der Jagd auf Serienmörder: An die Fakten kommen wir erst, wenn wir sie gefasst haben. Bis dahin können wir nur rätseln und raten. Außer Bruchstücken haben wir nichts, und davon auch noch viel zu wenige. Trotz all dieser Leichen hat er uns nicht viel hinterlassen, womit wir etwas anfangen können.«
    »Aber Sie wissen doch, dass Annie ein Fehlgriff war, oder?«
    Bishop zögerte und nickte dann. »Ich glaube, das war sie. Er sucht nach einem bestimmten Typ, einem bestimmten Aussehen, und da passte Annie so wie all die anderen auch. Wollte er mehr als das Aussehen, wollte er noch anderes über seine Opfer wissen, weil ihm wichtig ist, sie nicht nur oberflächlich zu kennen, dann hätte er gewusst, wer sie war, hätte das große Risiko erkannt, das er mit ihr einging. Die Art, wie sie lebte, ruhig und zurückgezogen wie viele andere junge Frauen in Boston, das so alltägliche Erscheinungsbild ihres Leben, gab ihm keinen Hinweis darauf, wie unmittelbar und heftig die Reaktion auf ihr Verschwinden sein würde.«
    »Hat er deshalb aufgehört, nach ihr?«
    Bishop war sich nur allzu bewusst, dass der trauernde Vater, mit dem er sprach, viele Jahre Staatsanwalt in einer Großstadt gewesen war und somit die Gräuel, zu denen Menschen fähig sind, genauso gut kannte wie Bishop auch; dennoch war es nicht einfach, den Vater außer Acht zu lassen und nur den Berufskollegen zu sehen, um emotionslos über diese Dinge sprechen zu können.
    Ich habe nicht nur ein Profil dieses Mörders erstellt, Senator. Auch Sie habe ich durchleuchtet. Und ich fürchte sehr, dass Sie demnächst in dieser Ermittlung eine Rolle spielen werden.
    Eine tödliche.
    »Bishop? Hat er deshalb aufgehört?«
    »Ich denke, das war zum Teil der Grund, ja. Zu viele Polizisten, zu viele Medien, zu viel Aufmerksamkeit. Es störte seine Pläne, seine Jagdmöglichkeiten. Versetzte seine beabsichtigte Beute zu sehr in Alarmzustand, machte sie zu argwöhnisch. Und es bedeutete eine Ablenkung für ihn, die er sich nicht leisten konnte, vor allem in diesem Stadium. Er musste in der Lage sein, sich auf das, was er tat, konzentrieren zu können, denn er übte, wenn sie verstehen, was ich meine. Er überprüfte und perfektionierte sein Ritual. Daher …«
    Als Bishop innehielt, vervollständigte LeMott mit stoischer Ruhe dessen Gedankengang. »Daher war kein Mord dem anderen gleich, nicht die Waffen, nicht der Grad an Brutalität. Er experimentierte. Versuchte herauszufinden, was ihm die größte … Befriedigung verschaffen würde.«
    Sie müssen das anscheinend wieder und wieder hören, nicht wahr? Als würden Sie an einem Schorf kratzen, um den Schmerz zu spüren, weil das alles ist, was Sie noch haben. Dieser elende, jämmerliche Schmerz.
    »Ja.«
    »Hat er es schon herausgefunden?«
    »Sie wissen, dass ich das nicht beantworten kann. Nicht genug Fakten.«
    »Mir würde schon eine wohlbegründete Vermutung genügen. Von Ihnen.«
    Weil Sie wissen, dass es viel mehr als eine Vermutung wäre. Und mir ist jetzt klar, dass es ein Fehler war, Ihnen zu erzählen, was an der SCU tatsächlich so besonders ist.
    Bishop wusste nur zu gut, wie gänzlich sinnlos Selbstvorwürfe dieser Art waren. Der Fehler war geschehen, nun musste er mit den negativen Konsequenzen zurechtkommen. Er atmete ein und langsam wieder aus. »Meine Vermutung, meine Überzeugung ist, dass ihn die Reaktion auf Annies Entführung und Ermordung aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Gewaltig. Bis dahin hat er nahezu blindlings dem Zwang nachgegeben, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Ein Dutzend Opfer in weniger als einem Monat zu ermorden heißt, irgendetwas hat diesen Amoklauf ausgelöst, etwas zutiefst Traumatisches, und was es auch immer war, der Auslöser hat entweder den Menschen ausgelöscht, der er bis dahin war, oder etwas schon seit Langem in ihm Schlummerndes freigesetzt.«
    »Etwas Böses.«
    »Daran zweifle ich nicht im Geringsten.«
    LeMott runzelte die Stirn. »Doch sogar das Böse besitzt einen Selbsterhaltungstrieb.
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