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Blutträume

Blutträume

Titel: Blutträume
Autoren: Kay Hooper
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setzen. Eine entschlossene Paris war so wenig zu aufzuhalten wie die Flut. »Er enthielt eine Zeitangabe. Vierzehn Uhr siebenundvierzig am achtundzwanzigsten Oktober.«
    Paris drehte sich zum Wandkalender um, der mit South-Park -Magnetfiguren am Kühlschrank befestigt war. »Der achtundzwanzigste? Dieses Jahr?«
    »Ja.«
    »Das ist heute in drei Wochen.«
    »Ist mir auch schon aufgefallen.«
    »Dieselben Personen?«
    Dani nickte. »Dieselben Leute. Dieselbe Unterhaltung. Dasselbe brennende Lagerhaus. Dasselbe hoffnungslose Gefühl.«
    »Bis auf die Zeitangabe war alles genau gleich?«
    »Es ist nie genau gleich, das weißt du. Manches davon hat wahrscheinlich eine symbolische Bedeutung, und ich habe keine Ahnung, was wörtlich zu nehmen ist und was nicht. Ich weiß nur, was ich sehe, und es gibt immer kleine, manchmal seltsame Änderungen. Hin und wieder ein anderes Wort, eine andere Geste. Ich glaube, die Waffe von Hollis war nicht dieselbe wie zuvor. Und Bishop trug diesmal eine schwarze Lederjacke. Letztes Mal war es eine dunkle Windjacke.«
    »Aber es sind immer dieselben Leute. Diese zwei Menschen sind immer Teil des Traumes?«
    »Immer.«
    »Leute, die du nicht kennst.«
    »Leute, die ich nicht kenne – bisher.« Einen Moment lang blickte Dani stirnrunzelnd in ihren Kaffee, schüttelte den Kopf und erwiderte dann den unverwandten Blick ihrer Schwester. »Im Traum habe ich das Gefühl, die beiden sehr gut zu kennen. Ich verstehe sie auf eine Art und Weise, die schwer zu erklären ist.«
    »Vielleicht weil auch sie Paragnosten sind.«
    Dani zog die Schultern hoch. »Mag sein.«
    »Und es endete …«
    »Wie es immer endet. Daran ändert sich nie etwas. Ich schließe die Tür hinter uns, und wir gehen die Treppe hinunter. Ich weiß, dass das Dach einstürzt. Ich weiß, dass wir nicht auf demselben Weg hinauskommen können, auf dem wir hereinkamen. Ich weiß, etwas Fürchterliches und Böses wartet in diesem Keller auf uns, und dass es eine Falle ist.«
    »Aber du gehst trotzdem da hinunter.«
    »Mir scheint keine andere Wahl zu bleiben.«
    »Oder du hast deine Wahl vielleicht schon getroffen, bevor du das Gebäude überhaupt betreten hast«, erwiderte Paris. »Vielleicht triffst du die Wahl gerade jetzt. Das Datum. Wo hast du es gesehen?«
    »Auf einer Armbanduhr.«
    »An deinem Handgelenk? Keine von uns beiden kann eine Uhr tragen.«
    Noch immer widerstrebend ergänzte Dani: »Und es war nicht die Art von Uhr, die ich tragen würde, auch wenn ich es könnte.«
    »Was denn für eine?«
    »Sie sah … militärisch aus. Groß, schwarz, digital. Jede Menge Knöpfe, verschiedene Displays. Sah aus, als könnte sie die Zeit in Peking angeben und dazu noch Längen- und Breitengrad. Was weiß ich, vielleicht könnte sie Sanskrit ins Englische übersetzen.«
    »Was könnte das bedeuten?«
    Dani seufzte. »Mit einem Jahr Psychologie im Kopf denkst du natürlich, dass alles etwas bedeuten muss.«
    »Wenn es um deine Träume geht, ja, da hat alles eine Bedeutung. Das wissen wir beide. Komm schon, Dani. Wie oft hast du jetzt denselben Traum gehabt?«
    »Ein paar Mal.«
    »Ein halbes Dutzend Mal, soweit ich weiß – und ich wette, du hast mir nicht jedes Mal davon erzählt.«
    »Ach?«
    »Dani.«
    »Schau, es spielt keine Rolle, wie oft ich diesen Traum hatte. Es spielt keine Rolle, weil es keine Vorahnung ist.«
    »Netter Versuch.«
    Dani stand auf und brachte ihre Kaffeetasse zum Spülbecken.
    »Tja, war schließlich nicht dein Traum.«
    Paris drehte sich auf dem Stuhl zu ihr um, blieb aber sitzen. »Dani, bist du deshalb hierher nach Venture gekommen? Nicht, damit ich mich während dieser unschönen Scheidungsgeschichte an deiner Schulter ausweinen kann, sondern wegen dieses Traums?«
    »Ich weiß gar nicht, wovon du redest.«
    »Und ob du das weißt.«
    »Paris …«
    »Ich will die Wahrheit wissen. Zwing mich nicht, sie selbst herauszufinden.«
    Dani lehnte sich mit dem Rücken an die Arbeitsplatte und musste sich erneut eingestehen, dass es ihr nie gelingen würde, ihrer Schwester die Wahrheit zu verheimlichen, jedenfalls nicht lange.
    Zum Teil lag es natürlich an diesem Zwillingsphänomen.
    Paris trug ihr leuchtend kupferrotes Haar in letzter Zeit ein bisschen kürzer – sie nannte es ihre Scheidungswiedergeburt –, und sie war etwas zu dünn, doch davon abgesehen hatte Dani das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen, wenn sie ihre Schwester ansah. Dani hatte sich längst daran gewöhnt und sah darin sogar einen
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