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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern
Autoren: Aufbau
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warmen und freundlichen Augen, einem Gesicht
     voller Liebe, und sie meinte, dass er ihr zulächelte, bevor er schließlich kehrtmachte und am Horizont verschwand.
    Langsam traten Ilana und Tojar in die Mitte des Tempelplatzes, gefolgt von jenen, die mit ihnen auf das Ende gewartet hatten.
     Einige hielten sich an den Händen, und es dauerte eine Weile, bis sie verstanden, dass sie nicht sterben würden.
    Ilana legte ihren Kopf an Tojars Schulter und flüsterte »Belis nani, Dawon, mein Freund.« In Gedanken fügte sie hinzu:
Nona, es tut mir leid, dass ich dir nicht vertraut habe!
     
    Lin kroch zu Degan und schlang die Arme um ihn. Er kniete neben Xiria und schrie seinen Schmerz so laut hinaus, dass sie meinte,
     ihre Ohren würden taub. Noch nie hatte Lin einen derart großen Schmerz gesehen und erlebt. Er hatte sie getötet – er hatte
     Xiria getötet, um sie zu retten! Seine Qual war so groß, dass er ihre Umarmung nicht verweigerte, sich vielmehr wie ein Kind
     an sie klammerte. Lin fühlte in diesem Moment, wie jede Eifersucht, jeder Schmerz, den sie wegen ihm empfunden hatte, zusammenschmolz.
     Sie konnte nichts anderes fühlen als unendliches Mitleid mit dem Mann, der in die toten Augen seiner Gefährtin blickte und |428| sie nicht gehen lassen konnte. Sie wollte etwas sagen, ihm Worte des Trostes zusprechen, doch sie fühlte im selben Augenblick,
     dass nichts Degan hätte helfen können. Also hielt sie ihn einfach stumm in ihren Armen und wartete, bis er seine Verzweiflung
     hinausgeschrien hatte.
    Als er endlich ruhiger wurde, löste er sich von ihr und nahm Xiria hoch. Sie wusste, dass er gehen wollte, dass es nichts
     mehr zu sagen gab und dass es nichts gab, womit sie ihm hätte danken können. Wortlos löste er die Tränen Salas aus Xirias
     Hand und gab sie Lin, die sie jedoch nicht annehmen wollte.
    »Sie sind dir bestimmt«, bemühte sie sich um eine sanfte, jedoch feste Stimme, doch Degan schüttelte nur den Kopf. »Ich habe
     meine Bestimmung erfüllt! Ich bin frei!«
    Lin wollte ihn nicht gehen lassen, nicht einfach so. »Degan, die Menschen brauchen dich, Sala braucht dich … Bitte bleib doch.
     Wenn nicht wegen mir, dann wegen der Menschen. Mador ist tot, aber die Greife und die Schjacks … Muruk ist noch immer nicht
     besiegt!«
    Degan verzog die geschwungenen Brauen und wies mit einer ausladenden Geste um sich. »Was kümmern mich die Götter, Lin! Wann
     haben sich die Götter jemals um uns gesorgt? Wo war Sala, als ihre Hohepriesterin aus Xiria machte, was sie war? Wach endlich
     auf, Lin! Hat die Göttin jemals zu dir gesprochen? All das Grauen, all der Schmerz im Namen der Götter! Sie sind nicht hier,
     die Götter … Ich weiß noch nicht einmal, ob sie dies hier alles wollten. Aber eines weiß ich … ihre Priester wollten es …
     das ganze Blut, den Krieg … und die Macht. Karok, Sasalor, Mador und auch Liandra. Sie alle versteckten sich mit ihren Taten
     hinter den Göttern!«
    Lin wich vor ihm zurück. Was Degan da redete, war gefährlich. Die Götter verziehen nicht … Sie würden … Lin hielt inne … Sie
     würden … ja was? Hatte jemals einer der Priester auch nur versucht, sich den Göttern zu verweigern, sich ihren Weisungen nicht |429| zu beugen? Verwirrt blickte sie Degan in die Augen. »Aber die Götter, die Prophezeiungen … Die Waldfrauen haben sie doch verkündet
     … und die Greife … «
    Degan drückte ihr erneut Salas Tränen in die Hand. »Die Götter haben nur so lange Macht, wie wir sie ihnen gewähren.«
    Lin dachte über seine Worte nach. Ihr schwindelte. Ihr gesamtes Weltbild, ihr Glaube an das Gute gerieten ins Wanken. Stimmte
     es? Waren sie blind den Priestern gefolgt, hatten sie tatsächlich ihr Ziel aus den Augen verloren … waren sie bereits ein
     Teil eines Traumbildes, das sie sich über Generationen gesponnen hatten?
    »Aber wir können doch jetzt nicht einfach aufgeben – jetzt, da Muruk beinahe besiegt ist«, wandte sie hilflos ein.
    Degan nahm den Silberdolch aus Xirias Schurz, wobei er es vermied, in die gebrochenen Augen seiner Gefährtin zu blicken. Wortlos
     überreichte er ihn Lin. »Dann musst du jetzt und hier damit weitermachen. Töte mich, Lin, denn ich trage ebenfalls einen Teil
     der Dunkelheit in mir.«
    Lin sah ihn erschrocken an. »In dir ist Salas Licht, Degan. Ich kann dich nicht töten.« Sie ließ den Dolch fallen, als wäre
     er glühend heiß.
    Degan straffte die Schultern. Bevor er sich von Lin abwandte, antwortete
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