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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld
Autoren: Karina Cooper
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Der Donner war noch nicht ganz verklungen, da tat es schon den nächsten Schlag. Die Tür ließ sich ebenso problemlos öffnen wie die Haustür   – Scheiße noch mal, schon wieder nicht abgeschlossen! Die Tür knarrte in den Angeln, als sie aufschwang, dahinter, ganz plötzlich, die Stille und Dunkelheit eines totalen Zusammenbruchs der Stromversorgung.
    Scheißdreck, verfluchter!
    Reglos stand Naomi da, hielt die Luft an und wartete darauf, Bewegungen in der Wohnung zu hören. Atemzüge, Schritte, jemanden, der fluchte. Hier und da war durch die Wände, die Decke hindurch zu hören, dass anderswo die Bewohner der Appartements sich tatsächlich rührten. Aber in den rabenschwarzen Räumen vor ihr tat sich nichts.
    Wenn sie zuerst Hallo sagte, brächte ihr das gleich eine Kugel ein? Oder flöge vielleicht ein Messer in ihre Richtung?
    Kampfbereit glitt Naomi durch die halb offene Tür in die kleine Wohnung hinein. Ihre Augen schmerzten in dem Versuch, die Dunkelheit zu durchdringen, um etwas, irgendetwas zu sehen.
    Durch die Fenster fiel bei jedem neuerlichen Aufflammen der Straßenlaternen, ehe sie wieder verloschen, ein kleines bisschen Licht. In diesen kurzen Lichtphasen erkannte Naomi ein Ein-Zimmer-Appartement. Die spärliche Möblierung, ein klappriger Tisch und ein Stuhl, erlaubte ihr, trotz des unregelmäßigen Zuckens des Lichts ohne große Schwierigkeiten den Weg von Wand zu Wand zu finden.
    Die gegenüberliegende Wand trumpfte immerhin mit einer Matratze auf, die zur Ecke hin auf dem Boden lag. Auf der Matratze erkannte Naomi ein paar Decken. Die Küche ein kleiner gefliester Bereich mit zwei Oberschränken, einem alten Herd mit zwei Platten und einem kleinen Kühlschrank.
    Zwei große Schritte genügten Naomi, um die Wohnung zu durchqueren. Das Grinsen auf ihrem Gesicht war Reaktion auf hochsteigende Erinnerungen, auf Ärger und Bedauern darüber. In Wohnungen wie dieser hatte Naomi West einen viel zu großen Teil ihres Lebens verbracht.
    Sie nahm den angeschlagenen Becher vom Tisch und roch daran. Als ihr der erdige Geruch von ganz normalem schwarzem Tee in die Nase stieg, verzog sie das Gesicht.
    Dann spürte sie die Wärme des Bechers durch ihre Handschuhe hindurch. Naomi erstarrte.
    Hinter ihr knarrte Holz.
    Den Becher fallen lassen und herumwirbeln war eins. Er zerschellte gleich neben ihren Füßen auf dem Holzboden, Tee und Scherben spritzten gegen Naomis Stiefel, während sie nach der Waffe griff, die sie nicht mehr trug.
    Dass sie zur Seite hechtete, nur weg vom Tisch, weg von derGestalt, die im Dunkeln auf sie lauerte, war mehr ihren antrainierten Reflexen zu verdanken als ihrem lahmen Verstand. Der war ins Stottern geraten, als ihre Finger sich nicht um einen Waffengriff hatten schließen können.
    Scheiße!
    Eine Taschenlampe wurde eingeschaltet; der Lichtkegel durchschnitt die Dunkelheit im Raum und machte Naomi augenblicklich blind und damit verwundbar. Sie fuhr zusammen und riss die Hand vor die Augen, als der Lichtstrahl sie voll im Gesicht traf. »Fahr zur Hölle, he, was soll das? Mir Angst machen, oder was?«
    »Ich mag das Lippen-Piercing.«
    Ihr Herz hämmerte gegen den Brustkorb.
    O Gott! Oh, nein, oh, verfluchte Scheiße!
    Seine Stimme war wie ein Messerschnitt, wie eine Peitsche, die ihr die Haut aufriss, so tief ins Fleisch ging, dass Blut floss. Aber es war das Herz, das ihr blutete. Wieder. Diese Stimme. So leichthin, so beiläufig der Ton, so   … Scheiß- Phin -mäßig!
    Naomi schloss die Augen. Holte tief Luft.
    Und warf sich Phin an den Hals.
    Die Taschenlampe klapperte zu Boden.
    Naomi war es egal. Die Kälte in der Wohnung war egal, der Donner, der Blitz, der die Szenerie einen Herzschlag lang einfror, als sei alles aus Perlmutt. Alles, was sie interessierte, war Phin, sein Pullover unter ihren Händen, seine Lippen auf ihrem Mund, seine Haut, seine Hände, jeder seiner Finger. Er packte sie; seine Finger kämpften mit ihrer Jacke, während sie atemlos versuchte nach der Luft zu ringen, die ihr wegblieb.
    Irgendwie gelang es Phin, den Reißverschluss ihrer Jacke zu öffnen. Die Verschnürung ihres stylishen Möchtegern-Korsetts über dem Langarm-Shirt. Schälte Naomi, Sekunden danach, aus dem Hemd. Irgendwie zog sie ihm währenddessen den Pullover über den Kopf. Es war, als bewegten sie beide sich in einem bizarren, getriebenen Tanz über die nackten Bodendielen.
    Naomis Lippen verschmolzen mit Phins. Sie küsste ihn mit all der Leidenschaft für ihn, die sie geglaubt
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