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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld
Autoren: Karina Cooper
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würde den Mist nicht so leicht schlucken, jetzt nicht und später auch nicht. Sie schnitt eine Grimasse und öffnete schon den Mund, um etwas zu erwidern. Aber Eckhart fuhr fort, ehe sie auch nur ein einziges Wort herausgebracht hatte. Er redete ihr zu, wie einem lahmen Gaul, verdammt. »Ach, nun komm schon, Naomi: Die Ebenen an der Spitze sind schließlich nicht der Hochsicherheitstrakt im Knast.«
    Verflucht, es fühlte sich aber so an! Naomi drehte sich um, sah Luxusmöbel und üppiges Farbenspiel. Um den penetranten Druck hinter ihren Schläfen zu lindern, schloss sie die Augen.
    Es war, als wäre sie zurück in die Vergangenheit gereist. Nur, dass sie kein Kind mehr war. Und ihr Name schon seit beinahe fünfundzwanzig Jahren nicht mehr Naomi Ishikawa lautete.
    Jetzt aber klebte dieser Name wieder an ihr. Weil die Mission es so wollte.
    Naomi zuckte zusammen. »Verfluchte Affenscheiße!«
    »Du bist einfach entzückend, wenn du melancholisch wirst.« Wieder seufzte Eckhart. »Okay, dann spuck mal aus, was du über den Laden herausgefunden hast.«
    Naomi umklammerte so fest das Metallgehäuse des Coms, als wollte sie es zerquetschen. »Der städtische Basisebenen-Aufzug braucht acht Minuten bis hinauf zu dieser Oberstadt-Ebene. Die Überwachung beschränkt sich auf ein Minimum und ist sehr diskret. Allerdings lässt sie sich bei all dem Glas nur schwer verstecken: Eine Kamera überwacht die Ein- und Ausgänge in der Lobby; eine weitere gibt es im Haupt-Aufzug von diesem beknackten Luxus-Resort, und das war’s auch schon. Die Lobby stinkt vor Geld und ist menschenleer. Ich brauche endlich diese verfluchten Grundrisse, Eckhart.«
    Der Teamleiter stieß den für ihn typischen Drei-Ton-Pfiff aus. »Jonas arbeitet noch dran. Er sagt, der Zugang zu den Grundrissen sei ziemlich gut verschlüsselt.«
    »Warum das denn?«
    »Keinen Schimmer. Aber für mich riecht das nach dem Einfluss von Geld oder Politik. Oder einer Kombi aus beidem.«
    »Na, fantastisch«, fauchte Naomi. Mit der freien Hand fuhr sie sich durch dass glänzend schwarze Haar. Drei Schritte ging sie auf die üppig gepolsterte Chaiselongue zu, ehe sie auf dem Absatz kehrtmachte und dem Luxusmöbel den Rücken zuwandte. »Was du da sagst, heißt wohl, dass die Kirche gar nicht legitimiert ist, sich hier umzusehen. Darum hat man mich auch so billig ausstaffiert und dann hier reingeschickt.« Es rutschte ihr so heraus, schneidend wie ein Peitschenhieb, mit einem selbst in ihren Ohren viel zu beißenden Ton. Sie presste Daumen und Zeigefinger gegen die Augäpfel, bis der Druck das Gleißen auslöschte, das sich von innen, aus ihrer Schädelmitte, nach draußen brennen wollte.
    Politik. Verflucht verdammte Politik!
    »Was ich damit sagen will, ist   …«, hielt Eckhart in scharfem Ton dagegen, unterbrach sich dann aber selbst. Naomi wusste genau,warum. Alles, was er jetzt sagte, würde nur den Streit anfachen, den sie schon tausend Mal geführt hatten. Wie sich argwöhnisch beschnüffelnde Straßenköter umkreisten sie beide dieses Thema schon eine ganze Weile. Eckhart senkte die Stimme. Das war seine Art, sein Gegenüber zu beruhigen und   – wenn möglich   – einzuwickeln. »Schau, Nai, nicht alles lässt sich mittels einer Waffe und einer kompromisslosen Haltung regeln.«
    Doch in diesem Punkt irrte sich Eckhart gewaltig, das wusste Naomi. Erfahrungsgemäß ließ sich so gut wie alles genau auf diese Weise regeln. Aber hier und jetzt fehlte ihr, verflucht noch eins, eine Hälfte dieser Rechnung.
    Naomi tigerte weiter im Zimmer auf und ab, wandte sich wieder der Fensterfront zu. Dabei wusste sie ebenso genau, was sie dort zu sehen bekäme, wie sie wusste, dass Eckhart falsch lag. Die Sonne sank dem dunstigen Horizont entgegen. Ihr Licht verfing sich im Smog, der leuchtend an der Dunkelheit nagte, die sich zwischen den hoch in den Himmel aufragenden Wolkenkratzern gesammelt hatte. Die letzten Sonnenstrahlen trafen auf Schmutz, Verzweiflung und das Seite an Seite damit existierende   – nein, eher vor sich hin vegetierende   – Chaos tief unter ihr.
    Dort unten wäre Naomi anonym und bliebe es. Eine unbekannte Größe in einer Gleichung, nichts als eine verdammt gute Hexenjägerin in einem von unzähligen Teams aus Hexenjägern.
    Aber hier oben war sie eindeutig ein Werkzeug der Kirche. Seit dem Erdbeben, das die alte Stadt verschluckt hatte, zog die Kirche die Fäden. Fünfzig Jahre unter ihrer Führung und Anleitung, fünfzig Jahre Planung   –
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