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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld
Autoren: Karina Cooper
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erwischt. Als die Mission endlich bis in das Chaos vorgedrungen war, konnte sie dort nicht mehr finden als Schutt und Asche und bis zur Unkenntlichkeit verbranntes Fleisch.
    Es gab so einige Fragen, die die neue Missionsleiterin beantworten musste. Ein weiterer amoklaufender Agent der Mission in ihrem Revier wäre sicher nicht hilfreich.
    Die Hexenjägerin legte die Hand auf die Designer-Jeans, dorthin, wo auf ihrem Unterleib das Zeichen des Heiligen Andreas eintätowiert war. Schutz und Schild. Momentan war es inaktiv.
    Wenn aber Hexerei gegen Naomi gerichtet würde, würde der Andreas-Schild als Warnung blaue Funken sprühen, einen Lichtbogen von hoher Energie, der ihr eine schützende Hülle wäre. So ruft der Schild die Kraft und Macht des Heiligen herbei, um im Kampf gegen jedwede teuflische Absicht der Hexenmagie zu bestehen. Das war sehr praktisch, wenn Naomi auf einer Mission war, um Hexen oder Hexer zu töten.
    Aber hier gab es keine Hexen zu töten.
    Naomi stand wieder auf und ging durch die dekorative Schiebetür, die das Schlafzimmer vom Salon trennte. Sie musterte die Tagesdecke aus lavendelfarbener und goldgewirkter Seide und zog die Nase kraus. »Je schneller ich das erledige, desto schneller bin ich hier raus, richtig?«
    Eckhart klang erleichtert, als er bestätigte: »Richtig.«
    »Und unsere Missie Parker plant nicht irgendeine weitere große Scheißoperation?«
    » Missionsleiterin Adams weiß genau, wie sehr du diese Mission verabscheust, Nai«, korrigierte Eckhart sie seufzend. »Du hast deinen Standpunkt mehr als deutlich gemacht. Bring den Job hinter dich, und du bist da raus.«
    »Okay, dann sag mir, was Sache ist.«
    »Joe Carson hat mehrere Menschen umgebracht.«
    »Das habe ich auch.«
    Eckhart zögerte den Bruchteil einer Sekunde lang, länger nicht. Aber es war lang genug. Naomi verzog den Mund: beißender Sarkasmus. »Bei ihm ist’s was anderes«, meinte Eckhart schließlich. »Carson wird wegen Mordes an zwei hochrangigen Mitgliedern der Kurie und vier Zivilisten gesucht. Außerdem steht er unter dem Verdacht, er habe missionseigenes Beweismaterial verschwinden lassen.«
    Naomi runzelte die Stirn. »Moment mal, davon war beim Briefing nicht die Rede. Missionseigenes Beweismaterial? Heißt das, unser Tresor wurde geknackt?«
    »Nein, Gott sei Dank, nicht unserer. Außerdem ist da sowieso nichts drin, was wirklich gefährlich werden könnte«, antwortete Eckhart. »Irgendwann letzte Woche hat’s vielmehr das Hauptquartier der Missionsleiterin erwischt. Sei froh, dass du gestern nicht da warst. Adams hat die ganze Zentrale förmlich in ein Kühlhaus verwandelt.«
    »Bei dem Stock im Arsch wundert mich das nicht«, murmelte Naomi. Sie verdrehte die Augen, als sich ihr unmittelbarer Vorgesetzter mit Nachdruck räusperte. Sein Missfallen über Naomis letzte Äußerung war überdeutlich.
    Naomi musste Missionsleiterin Parker Adams nicht ins Herz schließen. Aber sie musste mit ihr zusammenarbeiten. Besser gesagt: für sie arbeiten.
    »’tschuldigung«, gab sie also nach. »Was ist denn geklaut worden?«
    »Lass mal sehen: ein paar alte Zeitungsausschnitte und jedeMenge anderer Krempel. Lauter Zeugs aus der Zeit vor dem Großen Beben, soweit wir das beurteilen können.«
    »Na, das ist ja mal hilfreich. Ich halte es aber immer noch für besser, Carson festzunehmen und zur Disziplinierung zu überstellen, anstatt ihn auszuschalten.«
    »Nicht unser Auftrag.«
    »Aber wenn sein Team den ihm gestellten Auftrag erledigt hätte   …«
    »Noch einmal, Nai: Die Missionare vor Ort haben getan, was sie konnten. Doch nachdem der Risikovermerk in seiner Akte war, war Carson auch schon untergetaucht.«
    Man konnte niemanden zur Disziplinierung überstellen, den man nicht finden konnte.
    Naomi verzog das Gesicht. Niemand wusste, was Disziplinierung tatsächlich bedeutete. Aber es hielten sich hartnäckige Gerüchte darüber. Alles von medikamentösen Eingriffen in die Neurochemie bis hin zur Gehirnwäsche, von Folterungen unter dem Deckmantel von Reinigungsritualen bis hin zur Beseitigung des Delinquenten.
    Es waren gefährliche, an Häresie grenzende Gerüchte. Die Kirche mochte Gerüchte nicht. Oder Fragen, die man nicht beantworten konnte oder wollte.
    »Es muss doch eine Vorgeschichte gegeben haben. Ein Missionar wacht doch nicht eines Morgens auf und beschließt, sechs Menschen umzubringen.«
    »Das spielt keine Rolle. Reiß dich am Riemen und tu, was getan werden muss. Sie beobachten dich,
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