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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose
Autoren: Margie Orford
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seine Söhne krabbelten hinter ihm in den Wagen.

    »So«, wandte sich Captain Damases an Erasmus. »Wo ist er?«

    Der Hausmeister öffnete das Tor zum Kleinkinder-Spielplatz. Der hohe Holzzaun schirmte den Bereich nur von drei Seiten ab. Auf der vierten Seite zog sich ein offener, sandiger Hang hinab zu dem Stacheldrahtzaun rund um das Schulgelände. Ein rotes Klettergerüst, ein blaues Karussell, eine mit Hasen und Eichhörnchen in farbenfroher Kleidung bemalte Wand. Die gelben Schaukeln. Eine Böe schubste den Leichnam an. Das Quietschen der Kette durchschnitt die Stille.
    »Oh.« Tamar Damases’ Stimme war vor Kummer ganz weich.
    »Strange fruit« , murmelte van Wyk. Tamar sah ihn überrascht an. Sie hätte nicht gedacht, dass er ein Jazzer war.
    »Soll ich die Leute von der Spurensicherung herschicken, wenn sie eintreffen, Captain Damases?«, fragte Erasmus.
    »Sie haben zu viele amerikanische Serien gesehen.« Die Andeutung eines Lächelns zuckte über Captain Damases’ Gesicht. »Wir sind hier in Walvis Bay. Spurensicherung? Die mache ich. Polizeifotos? Mache ich. Forensisches Gutachten? Mache ich. Ballistisches Gutachten? Mache ich auch.«
    Als Erasmus sie verständnislos ansah, senkte sie die Stimme. »Könnten Sie in der Pathologie anrufen und nachfragen, welcher Pathologe gerade Dienst hat? Eigentlich müsste es Dr. Kotze sein. Bitten Sie Helena, einen Wagen herzuschicken.«
    »Dann überlasse ich alles Weitere Ihnen.« Erleichtert, etwas zu tun zu haben, eilte Erasmus davon.
    »Könnten Sie bitte eine Rolle mit Absperrband holen, Sergeant van Wyk?« Die Autorität ließ Tamar Damases’ Stimme spröde klingen. »Ich möchte, dass der Zugang zum Fundort beschränkt wird. In beiden vorangegangenen Fällen wurden die Ermittlungen beeinträchtigt, weil jeder überall herumgestapft ist.«

    »Zu dumm, dass Sie nicht hier waren, um sie zu leiten, Captain.« Van Wyk gab sich keine Mühe, seinen Sarkasmus zu verhehlen. »Muss schwierig sein, gute Arbeit zu leisten, in …« – sein Blick senkte sich auf ihren runden Bauch – »… in Ihrem Zustand.«
    Erleichtert, endlich allein mit dem Leichnam zu sein, schaute Tamar ihm nach. Inzwischen frischte der Südwind auf, wurde frostig und gemein. Sie zog den Reißverschluss der Jacke bis zum Kinn hoch und wandte sich ab, um den toten Jungen zu untersuchen. Wie er so auf seiner Schaukel saß, den Rücken ihr zugewandt, hätte man meinen können, er sei ein Kind, das nicht weiß, wann es einen Streich zu weit getrieben hat, wäre da nicht der fehlende Hinterkopf gewesen. Hätte er von seiner Schaukel aufstehen und sich Rücken an Rücken mit ihr aufstellen können, wie es Kinder gern tun, wären sie ungefähr gleich groß gewesen.
    Während sie von vorne auf die Schaukel zuging, nicht ohne sich genau einzuprägen, wohin sie ihre Schritte setzte, schienen sie die Augen des Jungen zu verfolgen wie auf einem Trickbild und sie wortlos anzulocken. Tamar folgte der Aufforderung und tastete sich über den steinigen Untergrund, wobei sie jedes Detail mit ihrer Kamera festhielt. Der Sand unten an der Schaukel war nicht ganz ebenmäßig und von einer Serie gleichmäßiger, spitz zulaufender Löcher perforiert. Sie maß eines davon mit ihrem Zeigefinger. Es war etwa fünf Zentimeter tief.
    Die Schaukel, die den toten Jungen wiegte, zeigte nach Norden. Es war die einzige, die quer zu den anderen stand. Außerdem war sie am höchsten angebracht und am schwersten zu erreichen. Wenn Tamar eine Vermutung hätte abgeben müssen, hätte sie behauptet, dass man sie wegen des Ausblicks ausgewählt hatte, aber der Nebel hatte sich so starrköpfig festgesetzt, dass man nichts von der Wüste sah. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit und die Kamera ab, um das makabre Bild
aufzuzeichnen, bevor sie an den Rand des Spielplatzes hinunterwanderte.
    Im Zaun gab es mehrere Löcher. Sie ging in die Hocke und stützte die Ellbogen auf die Knie, um die Kamera ruhig zu halten. Tamar fand es bequem, so zu hocken. Sie hatte das von ihrer Großmutter gelernt; die alte Dame hatte das scharfäugige Kind gelehrt, all die verborgenen Zeichen zu lesen, die verrieten, ob ein Tier über den Boden gehuscht war, ob ein Mensch innegehalten hatte, um nachzudenken oder zu essen, oder ob eine Frau hier ihr geheimes Geschäft verrichtet hatte. Eilend. Schlendernd. Jagend. Versteckend. Für alles gab es Hinweise, man musste sie nur zu lesen wissen.
    Das rote Klettergerüst stand bleiern zwischen den grauen Dunstfingern. Der
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