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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose
Autoren: Margie Orford
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wegen. Ab und zu mit mir rumzumachen reicht nicht als Ausgleichssport.« Sie drehte sich an der Tür zu ihm um, wobei die Sonne auf ihr Gesicht und auf die Andeutung eines Lächelns fiel.
    »Clare, ich wollte dir …«
    »Was?« Sie zog eine Braue hoch.

    Aber Riedwaan brachte es nicht übers Herz, die entspannte Atmosphäre zwischen ihnen zu zerstören. »Spiegeleier oder Rührei?«
    »Hart gekocht wäre passend, meinst du nicht? Und gib Fritzi was zu fressen! Dann greift sie dich nicht an.« Die Tür knallte zu, und sie war weg, zwei Stufen auf einmal nehmend.

2
    Eintausendsechshundert Kilometer Luftlinie weiter nördlich lag Herman Shipanga wach in der kalten Morgendämmerung, während sich die Feuchtigkeit durch seine dünne Matratze bohrte. Dicht aneinandergekauert suchten die Häuser Schutz vor dem Wind, der stöhnend durch die freiliegenden Dünen der Namibwüste fegte und den schmalen Durchgängen zwischen den Häusern ein hyänenhaftes Lachen entlockte. Er zwängte sich durch die Ritzen zwischen den Backsteinen und durch die Spalten in Türen und Fenstern; er suchte und fand jedes zarte Glied, das im Schlaf unter der Decke hervorgerutscht war.
    Endlich hörte er es: das immer wiederkehrende alltägliche Sirenenheulen, das durch Walvis Bay schnitt. Shipanga warf die Decke zurück und ignorierte den Protest seiner beschädigten Hüfte. Er stieg über die Kinder hinweg, die auf dem Boden schliefen, füllte eine Schüssel mit Wasser und ging nach draußen, um sich zu waschen. Gerade als er das eisige Wasser wegschüttete, heulte die Sirene zum zweiten Mal. Die Fischmehlfabrik, die über den daran klebenden Häusern aufragte, rülpste gelben Rauch aus. Der Gestank ließ Shipanga würgen. Er trat wieder in das dämmerige Haus.
    Seine Frau war schon auf und rührte Haferbrei auf der Doppelkochplatte. »Inzwischen solltest du dich daran gewöhnt haben.
Der Gestank des Geldes«, sagte sie zur Begrüßung und reichte ihm eine Schale. Er schaufelte den Porridge ohne jeden Appetit in sich hinein.
    Dann zog er seine Jacke über den blauen Overall. Die Kinder rutschten im Schlaf zusammen wie Welpen, die sich in die Wärme der anderen Körper schmiegen. Bevor Shipanga ging, bückte er sich und strich über die glatte Stirn seines Jüngsten.
    Draußen trottete er mit schweren Schritten los, die durch die leeren Straßen hallten. Der zähe Nebel teilte sich für ihn. Eine Mülltonne, ein angekettetes Fahrrad, eine Frau, die ihren Hund ausführte, schälten sich gerade noch rechtzeitig aus dem Nebel, sodass er einen Zusammenprall vermeiden konnte. Er nahm eine Abkürzung durch die Gasse zwischen den sandigen Plätzen, die die Hinterhöfe der Häuser bildeten. Sie führte ihn an die Rückseite der Schule. Die Walvis Bay Combined School lag am Rand der Stadt. Am Grundstückszaun häufte sich der wandernde rote Sand, als suche er nach einem Durchlass. Shipanga schlüpfte durch eine Zaunlücke und holte den Rechen aus dem Hausmeisterschuppen.
    Er ging hinüber zum Kleinkinderspielplatz und schloss das hohe Holztor hinter sich. Das Klettergerüst ragte im Dunst auf. Die Reifenschaukeln baumelten stumm an ihrem Gestell. Leer, bis auf die letzte.
    Der Junge hatte die Knie an die Brust gezogen. Mit pubertärer Lässigkeit lehnte er an der Kette, die die gelbe Schaukel mit dem Holzrahmen verband.
    »Was hast du hier zu suchen?«, rief Shipanga.
    Der Junge antwortete nicht. Diese kraftprotzenden älteren Jungen ärgerten Shipanga immer wieder, zum Beispiel indem sie mit Kugelschreiber auf ihren pickligen Wangen die Schmucknarben, die er auf seinem Gesicht trug, nachzeichneten. Die drei senkrechten Linien waren die letzte Erinnerung an jene Heimat, die Shipanga verlassen hatte, um sein Glück in dieser sonnenlosen Hafenstadt zu suchen.

    Eine sanfte Windböe stupste die Schaukel an, doch der Junge regte sich nicht. Heißer, schmerzhafter Zorn stieg in Shipanga auf. Er packte die Kette und drehte den Jungen zu sich her.
    Die Insekten hielten nur eine Sekunde inne, ehe sie wieder über ihr Festmahl herfielen. Wo die Stirn sein sollte, starrte ihn ein drittes Auge an.
    Shipangas Zorn schlug in Entsetzen um. Er wich zurück, die Augen wie gebannt auf die Last der Schaukel gerichtet. Als er das Tor erreicht hatte, drehte er sich um und rannte auf die Scheinwerfer zu, die über den Parkplatz strichen.
    »Mr Erasmus«, keuchte er. Seine Brust schmerzte vor Anstrengung und Entsetzen.
    »Was ist denn?« Der Rektor öffnete gerade den
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