Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
sichtbar. »Es macht Ihnen gar nichts aus, dort zu leben, wo ein Mensch ermordet worden ist und in der Vergangenheit einige andere ihr Leben gelassen haben?« Will hob die Augenbrauen. »Von dem Selbstmord, der vor einem halben Jahr passiert ist, wusste ich. Aber Mord? Was ist denn geschehen?«
    »Sie sehen plötzlich neugierig aus.« Sie wandte sich mit einem siegessicheren Lächeln zum Tresen, und er folgte ihr. Anscheinend war sie noch immer der Ansicht, ihn bestechen und zu ihrem Fürsprecher machen zu können.
    Hansen schnupperte und fächerte sich mit der rechten Hand Luft zu. »Was riecht hier so köstlich nach Gewürzen?«
    »Oh, das ist mein Chai. Möchten Sie einen?«
    »Sehr gern. Da erzählt und verhandelt es sich gleich viel besser.«
    Will würde sie in dem Glauben lassen, weil er die Geschichte von den Todesfällen hören wollte. Sein Gesichtsausdruck hatte ihn anscheinend verraten: Er empfand eine morbide Faszination für Geschichten über menschliche Schicksale, die mit dem Tod der Betroffenen endeten. Seine Mutter hatte dies früher immer seine »melancholische Ader« genannt, die er von seinem indischen Vater geerbt hatte.
    Hansen machte es sich auf einem Hocker bequem, während er ihr einschenkte. »Danke sehr.« Sie nahm den Becher in beide Hände. »Was wissen Sie denn von dem Selbstmord?« »Dass es die Nichte meines Arbeitgebers war. Die Polizei fand sie erhängt im Garten und ging von Selbstmord aus, aber die Zeitungen spekulierten, dass mehr dahintersteckt. Sie soll zwei Einbrechern zum Opfer gefallen sein, die sie überrascht hatte.«
    »Das ist eine Theorie.« Hansen nickte. »Aber es war auch von einem Fluch die Rede ...« »Und daran glauben Sie?«, wollte Will herausfordernd wissen.
    »Ich weiß nur eins mit Sicherheit: Die Arme war erst neunundzwanzig«, erklärte Hansen mit Unschuldsblick. »Und sie war nicht nur die Nichte des Hausbesitzers, sondern hat sich auch für ihn um das Anwesen gekümmert, so wie jetzt Sie.« Die Frau blies über den heißen Tee. »Ein gefährlicher Job, Herr Gul.«
    Der Unterton machte Will aufmerksam. Hatte er da eben eine leise Drohung vernommen? »Das Haus hat als einziges dem Feuersturm des Zweiten Weltkriegs getrotzt«, erzählte die Mäklerin weiter. »Die einen sagten, es sei das Werk Gottes, andere betrachteten es als die schützende Hand des Teufels. Wussten Sie das?«
    Will goss sich ebenfalls nach. Nein, das hatte er nicht gewusst. »Kommen jetzt Geistergeschichten, die ich meinem Chef erzählen soll, damit er nachgibt?«
    »Nun, er kennt sie sicher - aber wie ist es mit Ihnen?« Sie zwinkerte Will zu. »Sie müssen wissen: Es gibt alte Aufzeichnungen, die mein Kunde gefunden hat. In denen steht zu lesen, dass jedes Jahr ein Mensch in dem Haus verschwindet, oder im Garten. Man findet immer wieder Tiere, die in der Umgebung des Anwesens verendet sind, ohne dass sie an erkennbaren Krankheiten litten. Andere wiesen Knochenbrüche auf, waren aber nachweislich nicht geschlagen worden. Das Anwesen sei verflucht, heißt es. Vielleicht ist es ein Geist oder gar noch Schlimmeres.«
    Will stieß mit ihr an. »Darauf trinke ich.«
    »Freut Sie das?« Hansen zeigte ihre Verwunderung offen. »Sind Sie ein Hobby-Parapsychologe?«
    »Nein. Ich bin einfach nur ... morbide, schätze ich.«
    »Sie sehen eigentlich nicht wie jemand aus, der sich nach dem Tod sehnt.«
    »So ist es auch nicht.« Er dachte nach, wie er es am besten erklären konnte. »Ich mag das Leben. Aber wo Leben ist, ist auch der Abschied. Und je brutaler dieser vonstattengeht, umso mehr interessiert er mich. Schieben Sie es auf meine indische Seite. Wir haben viele Götter, Dämonen und Geister, die für Tod und Zerstörung zuständig sind - da sind die Christen eindeutig im Nachteil.« Er lehnte sich vor. »Kann ich die Unterlagen zu lesen bekommen? Merkwürdigerweise habe ich nämlich keine toten Tiere gefunden, seit ich den Job mache. Oder«, er schaute sie herausfordernd an, »versuchen Sie etwa nur, mir mit plumpen Geistergeschichten Angst einzujagen?«
    »Ich frage meinen Kunden, ob er bereit ist, Ihnen Kopien zukommen zu lassen. Aber dann wird er mich fragen, was Sie als Preis für eine Fürsprache in unserem Sinn verlangen«, gab sie zurück und schaute taxierend über den Rand ihres Bechers.
    Jetzt wollte Will aus Neugier wissen, was man ihm bot. »Machen Sie mir ein Angebot«, sagte er und fügte mit einem sarkastischen Grinsen hinzu, »das ich nicht ablehnen kann.« Hansen beugte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher