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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale
Autoren: Markus Heitz
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Blumenauswahl in Regalen, Vitrinen und Hängekästen so arrangiert, dass der Kunde immer etwas Neues entdecken konnte. Ein Farben- und Geruchsmeer mit bunten Inseln; lediglich die Rosen und andere Schnittblumen lagerten geordnet in Eimern, damit er sie schneller greifen konnte.
    Will entfernte die Perlen, integrierte mit geschickten Handgriffen verschiedene weiße Blüten, gab etwas Grün und ein feines Gazeband dazu und schaffte es innerhalb von fünfzehn Minuten, dem Strauß eine neue Ausrichtung zu geben.
    Seinen eigenen Ansprüchen wurde das Werk nicht zu einhundert Prozent gerecht, aber hier handelte es sich schließlich um einen Notfall. »Bitte sehr. Vierzig Euro, Herr Trenske.« Trenske sah nun sehr zufrieden aus, legte einen Fünfziger und einen Zehner auf den Tisch. »Hier, für Ihre Kosten und Ihre Zeit. Sie können ja nichts dafür, dass ich ein unentschlossener Mensch bin. Aber Sie sind und bleiben eben mein Lieblingsflorist, Herr Gul. Sie haben Wundervolles geleistet!« Er schnupperte an den weißen Rosen und den Lilien. »Ich könnte so etwas nie.«
    »Deswegen sind Sie der Investment-Banker und ich der Florist«, gab Will zurück und begleitete den Mann zur Tür. »Beehren Sie mich bald wieder, und dann möchte ich Fotos von der Hochzeit sehen, Herr Trenske. Und von der Torte.«
    »Es wird ganz zauberhaft«, seufzte Trenske und trat hinaus auf den Gehweg. »Schönen Tag, Herr Gul!«
    »Ihnen auch!« Will entbot ihm den Gruß mit den zusammengelegten Handflächen vor der Brust. Dann kehrte er in den Laden zurück, nahm die Thermoskanne aus einer Schublade unter der Theke und goss sich seufzend Chai in seinen Becher. Es roch nach grünem und schwarzem Kardamom, Nelken und Zimt. Der Duft entspannte ihn sofort und passte hervorragend in das Blütenbouquet des Ladens, den er seit vier Jahren führte.
    Will setzte sich auf seinen Hocker, nippte am Becher und betrachtete zufrieden sein Geschäft. Er drückte den Play-Knopf des MP3-Spielers; leise erklang So soll es bleiben von Ich&Ich. »Lord Ganeesha, auf dich«, murmelte er dem elefantenköpfigen Gott des Wohlstands zu, hob seinen Becher und versprach ihm in Gedanken weitere Opfer, um sich seine Zuneigung zu erhalten. Gegen Geld auf dem Konto war nichts einzuwenden. Jetzt vielleicht noch eine nette Frau ...
    Der schwarze Tee, der mit Gewürzen, Milch und Honig gekocht worden war, floss warm und süß seine Kehle hinab. Will fühlte, wie sich Ruhe in ihm ausbreitete.
    Er fuhr sich mit der rechten Hand durch die nackenlangen schwarzen Haare, um sie nach hinten zu streifen. Danach betrachtete er sein Gesicht in der spiegelnden Vitrine gegenüber. Er hatte den Eindruck gehabt, dass Trenske ihm auffällig lange auf den kurzen Bart geschaut hatte, der schwarz um Mund und Unterkiefer stand. »Shit!« Hatte er es doch geahnt: Er war schief rasiert. Will stand auf, stellte den Becher ab, nahm sein schärfstes Messer und ging in das kleine Arbeitszimmer, wo er Gestecke und Sträuße komponierte. Vor dem Spiegel über dem Handwaschbecken korrigierte er mit geübten Bewegungen die Linie des Bartschnitts. Er hasste es, wenn etwas nicht symmetrisch war, keine Ordnung hatte.
    Die Türglocke erklang.
    »Ich komme«, rief Will, stutzte eine letzte Kontur und ging hinaus. Allerdings sah er niemanden, der darauf wartete, von ihm bedient zu werden. »Kann ich etwas für Sie tun?« Er ging langsam durch sein verwinkeltes Geschäft und suchte nach demjenigen, der die Schelle hatte erklingen lassen. Doch er war allein, wie er bald darauf feststellen musste. Er hatte selbst im entlegensten Winkel niemanden entdecken können. Ein sehr ungeduldiger Kunde, dachte er schulterzuckend, nahm die Sprühflasche und benetzte damit die Umgebung der Orchideen, damit sie sich mit ihren Luftwurzeln das Wasser ziehen konnten.
    »Ach, hier stecken Sie«, sagte plötzlich eine Frauenstimme hinter ihm.
    Will zuckte erschrocken zusammen und machte einen Schritt zur Seite, während er herumfuhr und instinktiv einen Arm zur Abwehr hob.
    »Hoppla«, lachte ihn eine blonde, etwa vierzigjährige Frau an, die in einem schicken, hellbraunen Kostüm steckte. Um ihren Hals trug sie eine Doppelkette aus runden schwarzen Edelsteinen. Sie sah auf seinen halberhobenen Arm. »Wollen Sie mich etwa schlagen?« »Verzeihen Sie«, sagte er und stellte die Sprühflasche ab. »Ich trainiere wohl zu viel.« »Ach ja, was denn? Karate?«
    »Nein. Kalari.«
    Sie schaute erstaunt. »Kalahari? Hat das etwas mit Beduinen zu
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