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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen
Autoren: Noreen Ayres
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einem potentiellen Käufer sagte, »Ich habe ein tolles Haus, wie für Sie gebaut.«
    Jeder Blödmann hätte vor zwei Jahren Häuser verkaufen können, auch wenn dieses Jahr der Markt für die Luxusvillen zusammengebrochen war, gab es immer noch Möglichkeiten bei den bescheideneren Häusern, sagte sie. Und sie hatte recht. Überall werden Hügel abgeholzt und bis zur blanken Erde abgetragen. Reihen über Reihen von pink-, pfirsich-, sand- und lederfarbenen Häusern sowie weißen Konstruktionen, die sich am Horizont in Schichten erstrecken, mit sechs Metern Abstand zwischen einander und keine Bäume weit und breit. Ganze Bezirke entstehen so über Nacht. Zuerst bemerkt man die riesigen Wassertanks, die sich wie Chipstürme beim Glücksspiel auf den braunen Hügeln erheben. Später werden sie dann von schnellwachsenden Bäumen versteckt. Auf den Freeways sieht man Lastwagen, in denen illegale Einwanderer schlafen, die Hüte heruntergezogen und die Arme auf den Knien, die dann zu den neuen Baustellen fahren und sich mit Landschaftsgestaltung und anderer Knochenarbeit beschäftigen. Uber all dem fliegen heimatlose Raben umher, drehen Kreise, lassen sich auf Lichtpfosten nieder und durchsuchen weggeworfene Essensreste, normalerweise zu zweit, aber manchmal in Gruppen von vier oder sechs, krächzend und damit zum Ausdruck bringend, >was ist verdammt noch mal hier los, Leute?<
    Obwohl ich in der Nähe des Strands wohne und weiter im Inland arbeite, so fahre ich doch oft mit dem Hund meines Nachbarn in Richtung Süden, um das Gefühl zu haben, herauszukommen. Ich laufe am Strand entlang oder parke auf einem Hügel, nehme mein Fernglas mit, um Vögel zu beobachten und sehe statt dessen das geschäftige Treiben in Orange County. Besonders im Frühjahr kann man das stetige pock-pock der Zimmerleute hören, die mit nacktem Oberkörper und in der Sonne glänzenden Muskeln Dacharbeiten durchführen. Oder das leise Brummen der Bagger. Einmal, als Sonne den Himmel im Westen rosa gefärbt hatte und die Arbeiter gerade nach Hause gegangen waren, da zählte ich in einem Tal in dem blauen Schatten einer hufeisenförmigen Hügelkette 31 beigefarbene Kolosse die aussahen wie Insekten, die sich zum Schlaf zusammenlegten. Es sah unheimlich aus.
    Ich sagte zu Patricia: »Ist dir klar, daß es dann keinen Platz mehr für illegale Einwanderer oder Marines geben wird? Sie werden Pendleton beseitigen.« Damit meinte ich den Stützpunkt an der Küste.
    »Wäre das nicht schade«, sagte sie. Sie hatte die ganze Zeit meine Frisur angestarrt, ohne etwas zu sagen. Ich hatte mir vor drei Wochen die Haare schneiden lassen, um mich wieder auf die Arbeit vorzubereiten. Seitdem fühlte ich mich wie das Opfer einer Carol Burnett Parodie. Da die von der Sonne blondierten Haare abgeschnitten worden waren, war das Haar jetzt todlangweilig, brauner als vorher, aber kein schönes Braun. »Deine Haare sehen gut aus«, sagte sie schließlich.
    »Red’ keinen Quatsch. Aber danke.«
    »Nein, wirklich. Ich würde sie noch kürzer schneiden. Du hast Ohren dafür.« Sie strich ihre Haare zur Seite und entblößte ziemlich abstehende Ohren, das muß ich zugeben. Ich lächelte. So ein Kompliment bekommt man nicht oft. Sie seufzte gespielt und wechselte das Thema: »Entschuldige, daß ich dich nicht besucht habe.«
    »Macht nichts. Ich wollte sowieso niemanden sehen.«
    »Ich hasse Krankenhäuser.«
    »Ich auch.«
    Sie hatte die Bedienung schon gerufen und mein Bier bestellt. Für sich selbst bestellte sie einen Wodka Collins. Patricia zog mich immer mit Colorado-Limonade auf, wenn ich Coors Bier trank. Was mir aber wirklich schmeckt, ist Whiskey. Und weil ich ihn so gerne trinke, lasse ich die Finger davon.
    Ich sagte: »Gleich am ersten Tag hatten wir einen grausigen Mordfall.«
    »Sind sie nicht alle grausig? Ich könnte das nicht, wirklich nicht. « Sie hielt ihr Glas mit beiden Händen und schüttelte den Kopf. Sie legte beide Daumen an ihre Nase und sah mich über das Glas hinweg an.
    »Wenn du denkst, daß ich cool bin, dann solltest du mal einen Gerichtsmediziner kennenlernen.«
    »Nein, danke.«
    »Es gibt ein paar hübsche Marines, die in der Autopsie arbeiten.«
    »Was?«
    »Ja. Ich habe einen großen, gutaussehenden Mann kennengelernt, in der Woche, bevor ich wegging. Du hättest dich in ihn verliebt. Er schneidet Schädel auf und Rippen. «
    Sie sah mich mit der stillen Faszination und dem Widerwillen an, den die meisten Menschen zeigen, wenn ich lebhaft
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