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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen
Autoren: Noreen Ayres
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Immobilien sind sehr hoch in dieser Gegend. Ich habe unglaubliches Glück, hier zu wohnen. Eine Tante, die ich noch nicht einmal gut kenne, vermietet mir das Appartement.
    Aber es gibt nichts Trostloseres als in ein Haus zu kommen, in dem keine Lichter brennen. Das kleine Messingteil, das ich beim Dwyer’s Kwik Stop gefunden hatte, war Ausrede genug. Ich fuhr in mein Büro.
    Das gerichtsmedizinische Labor oder die Scheune, wie es manche Leute aus mir unbekannten Gründen nennen, ist eine grau-grüne unscheinbare Konstruktion in der Innenstadt von Santa Ana, das Gebäude Nr. 16 der Stadtverwaltung. Auf der Südseite des Labors sitzt die OCTD — die Orange-County-Transit-District Busgesellschaft. Eine Straße weiter befindet sich das Santa Ana Police Department und gleich gegenüber ist die Zentrale des Sheriffs. Trotzdem bin ich vorsichtig, wenn ich dort nachts entlangfahre. Die Geschworenen aus dem Gericht sind dann schon nach Hause gegangen, ebenso die Finanzbeamten und die Angestellten der Bibliothek. Aber wenn man in Richtung Civic Center Square fährt, sieht man dort Obdachlose, Entmündigte und Alkoholiker ohne festen Wohnsitz die, wie Fragmente in einer Massenzentrifuge nach Schlafplätzen auf Betonbänken oder, wenn sie Glück haben, unter einem Balkon in der Nähe der Stadtbibliothek suchen. Kürzlich wurden hier Dutzende von Obdachlosen aufgegriffen, die Polizei von Santa Ana nannte es >Operation Civic Center< während die Obdachlosen die Aktion als >Littergate< bezeichneten. Man nahm sie fest, weil sie Papierflugzeuge hatten fliegen lassen, Blätter aufsammelten oder eine >Kippe< fallengelassen hatten. Sie ketteten diese Schwerverbrecher an Parkbänke in Eddie West Field, dem kleinen Stadion, wo die örtlichen Polizisten immer gegen die Männer des Bezirkssheriffs spielen, und malten mit Filzstift Identifikationsnummern an ihre Handgelenke. Man kann sich gut vorstellen, wie sich die Rechtsanwälte auf diesen Fall stürzten. Das Büro des Sheriffs — nicht etwa das Santa Ana Police Department — beschäftigt fünf Männer im Kopfverband, Santa Ana hingegen läßt 23 Bullen gegen die Obdachlosen aufmarschieren. Manche Dinge sind schon ganz schön verdreht.
    Dann gibt es wieder Menschen wie den Schuhputzer, mit einem Herz aus Gold, der weggeworfenes Essen sammelt und es an die Armen verteilt. Ich frage mich, was meine Kollegen von der Polizei davon halten. Aber ich muß sagen, daß ich öfter als ich es vielleicht im Hinblick auf mein Gehalt gesollt hätte, spät noch arbeiten gegangen oder spät nach Hause gekommen bin; und einen Trupp von schwarzen oder weißen Männern die Straße entlangkommen zu sehen, ist recht unangenehm. Was ist also richtig und was nicht? Obgleich noch nichts passiert ist, das mich in Panik versetzt hätte, bin ich immer wachsam, bis ich die Hintertreppen hinaufgegangen bin, geklingelt habe und mich jemand hereingelassen hat.
    Diesmal war es Paula vom Reinigungsdienst. Sonst sah ich niemanden. Da sie ein Radio auf ihrem Wagen hatte, wußte ich immer, wo sie gerade war. Gerade sprach ein Geistlicher. »Freunde«, sagte die Stimme immer wieder, »Freunde, das ist es, worum es geht, das ist Gottes Plan. Darum sind wir hier ... « Ich fragte mich, ob Paula sich jetzt sicher war, daß sie dort war, wo sie hingehörte.
    Ich trug mein Messingteilchen zu meinem Schreibtisch, öffnete eine Schublade und nahm eine braune Tüte, in die ich das Teil samt Taschentuch hineinlegte. Ich heftete die Tüte zu und wühlte in meiner Schublade zwischen halbbenutzten Blättern mit Aufklebern und widerspenstigen Stiften und suchte nach dem gelben Anhänger für Tatbestände. Ich füllte ihn aus: Abteilung; Nummer des Falls — die ich in dem Moment nicht wußte; Kategorie des Verbrechens — »Mord« schrieb ich in schwarzem Filzstift. Name des Verdächtigen ... nichts. Name des Opfers — »Jerome Alphonsus Dwyer.« Auf den letzten Zeilen füllte ich aus, wo der Gegenstand gefunden wurde und von wem. Darüber schrieb ich in die Rubrik Beschreibung »Unbekanntes Gold ...«, strich das durch: »Messingobjekt, ø ca. 2,5 cm.«
    Ich zog die große Schublade auf und legte es dorthin, wo ich normalerweise mein Mittagessen hinlege. Ich würde es am nächsten Morgen zur Asservatenkammer bringen.
    Und dann ging ich, wieso, weiß ich nicht, in Joes Büro und nahm Akten von seinem Tisch. Ich bin nicht dafür bekannt immer das Richtige zu tun und so schnappte ich mir Jerry Dwyers Akte, Fall 90-03284 HW, und sah
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