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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale
Autoren: Tess Gerritsen
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die Aufzeichnung, nach der Sie gefragt haben, existiert nicht mehr. Als ich gestern Abend nach Hause kam, habe ich alle Nachrichten abgehört und sie jeweils sofort gelöscht. Als ich zu Ihrem Anruf kam, mit Ihrer Bitte, die Aufzeichnung nicht zu löschen, war es bereits zu spät.«
    »Wie viele Nachrichten waren es insgesamt?«, fragte Jane.
    »Vier. Ihre war die letzte.«
    »Der Anruf, für den wir uns interessieren, müsste gegen 0:10 Uhr eingegangen sein.«
    »Ja, und die Nummer ist auch noch im Speicher.« O'Donnell drückte eine Taste und ging zurück zu dem Anruf von 0:10 Uhr. »Aber wer immer um diese Zeit angerufen hat, hat nichts aufs Band gesprochen.« Sie sah Jane an. »Es war keine Nachricht aufgezeichnet.«
    »Was haben Sie gehört?«
    »Das sagte ich doch bereits. Da war nichts zu hören.«
    »Irgendwelche Hintergrundgeräusche? Ein Fernseher, Verkehr?«
    »Nicht einmal schweres Atmen. Nur ein paar Sekunden Stille, und dann das Klicken, als aufgelegt wurde. Deswegen habe ich es sofort gelöscht. Es war nichts zu hören.«
    »Ist Ihnen die Nummer des Anrufers bekannt?«, fragte Frost.
    »Sollte ich sie kennen?«
    »Das fragen wir Sie «, entgegnete Jane. Die Schärfe in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
    O'Donnell erwiderte ihren Blick, und Jane registrierte das verächtliche Blitzen in diesen Augen. Als ob ich es nicht wert bin, dass sie sich mit mir abgibt. »Nein, ich habe die Telefonnummer nicht erkannt«, sagte O'Donnell.
    »Sagt Ihnen der Name Lori-Ann Tucker etwas?«
    »Nein. Wer ist das?«
    »Sie wurde letzte Nacht ermordet - in ihrem eigenen Haus.
    Dieser Anruf kam von ihrem Telefon.« O'Donnell schwieg einen Moment und mutmaßte dann durchaus vernünftig: »Da hat sich vielleicht jemand verwählt.«
    »Das glaube ich kaum, Dr. O'Donnell. Ich glaube, dieser Anruf sollte Sie erreichen.«
    »Warum sollte jemand mich anrufen und dann kein Wort sagen? Es war wahrscheinlich so, dass sie die Ansage auf meinem Anrufbeantworter hörte, merkte, dass sie sich verwählt hatte, und einfach auflegte.«
    »Ich glaube nicht, dass es das Opfer war, das Sie angerufen hat.«
    Wieder schwieg O'Donnell, diesmal ein wenig länger als zuvor. »Ich verstehe«, sagte sie schließlich. Sie ging zu einem Sessel und setzte sich, doch nicht etwa, weil sie erschüttert gewesen wäre. Im Gegenteil, sie wirkte vollkommen ruhig und gelassen, wie sie dort in ihrem Sessel saß - wie eine Monarchin auf dem Thron. »Sie denken, es war der Mörder, der mich angerufen hat.«
    »Die Vorstellung scheint Sie ja nicht im Geringsten zu beunruhigen.«
    »Ich weiß noch nicht genug, als dass es mich beunruhi gen könnte. Ich weiß überhaupt nichts über diesen Fall. Also, wa rum erzählen Sie mir nicht mehr?« Sie wies auf das Sofa, eine Einladung an ihre Besucher, Platz zu nehmen. Es war das erste Mal, dass sie sich zu einer Andeutung von Gastfreundschaft hinreißen ließ.
    Weil wir ihr etwas Interessantes zu bieten haben , dachte Jane. Sie wittert Blut. Und das ist genau das, wonach diese Frau giert.
    Das Sofa war blütenweiß, und Frost zögerte, ehe er sich darauf niederließ, als hätte er Angst, den Stoff zu beschmutzen. Aber Jane würdigte das Möbelstück keines weiteren Blickes. Sie pflanzte sich mit ihrer vom Schnee feuchten Hose darauf, ohne den Blick von O'Donnell zu wenden.
    »Das Opfer ist eine achtundzwanzigjährige Frau«, sagte Jane. »Sie wurde letzte Nacht gegen Mitternacht ermordet.«
    »Verdächtige?«
    »Wir haben noch niemanden festgenommen.«
    »Sie haben also keine Ahnung, wer der Mörder ist.«
    »Ich sage lediglich, dass wir noch niemanden festgenommen haben. Aber wir haben Spuren, die wir verfolgen.«
    »Und ich bin eine davon.«
    »Jemand hat Sie vom Haus des Opfers aus angerufen. Es ist durchaus möglich, dass es der Täter war.«
    »Und warum sollte er - angenommen, es handelt sich um einen Mann - mit mir reden wollen?«
    Jane beugte sich vor. »Wir wissen beide, warum, Dr. O'Donnell. Es hat mit Ihrem Beruf zu tun. Sie haben wahrschein lich einen richtigen kleinen Fanclub da draußen - all die Mörder, die Sie als ihre Freundin betrachten. Es ist Ihnen doch sicher klar, dass Sie in Mörderkreisen einen gewissen Ruhm genießen. Sie sind die Psychotante, die mit Monstern redet.«
    »Ich versuche, sie zu verstehen, das ist alles. Deshalb befasse ich mich mit ihnen.«
    »Sie verteidigen sie.«
    »Ich bin Neuropsychiaterin. Ich bin wesentlich qualifizierter, vor Gericht auszusagen, als die meisten anderen
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