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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale
Autoren: Tess Gerritsen
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schwerfallen.«
    »Es dürfte mir höchstens schwerfallen, ihr nicht an die Gurgel zu gehen.«
    »Siehst du? Genau das meine ich. Deine Einstellung zu ihr kommt dir in die Quere. Du und diese Frau, ihr habt eine Vorgeschichte, und die beeinflusst alles. Du kannst nicht neutral sein.«
    »Man kann unmöglich neutral sein, wenn man weiß, wer sie ist. Und was sie tut.«
    »Rizzoli, sie tut einfach nur das, wofür sie bezahlt wird.«
    »Das tun Huren auch.« Nur dass Huren niemandem Schaden zufügen, dachte Jane, den Blick starr auf Joyce O'Donnells Haus gerichtet. Ein Haus, das mit dem Blut von Mordopfern bezahlt war. Huren stolzieren nicht in schicken St.-John-Kostümen im Gerichtssaal herum und sagen als Gutachter zugunsten von Schlächtern aus.
    »Ich sage ja nur, dass du versuchen solltest, die Ruhe zu bewahren, okay?«, sagte Frost. »Wir müssen sie ja nicht mögen. Aber wir können es uns nicht leisten, sie zu verärgern.«
    »Denkst du, das habe ich vor?«
    »Schau dich doch nur an. Du hast ja schon die Krallen ausgefahren.«
    »Das ist reine Selbstverteidigung.« Jane stieß die Autotür auf. »Weil ich weiß, dass diese Hexe versuchen wird, mir die Augen auszukratzen.« Sie stieg aus und versank bis zu den Knöcheln im Schnee, doch sie spürte die Kälte kaum, die durch ihre Socken drang. Was sie frösteln ließ, waren nicht die niedrigen Temperaturen. Ihr Blick war auf das Haus gerichtet, ihre Gedanken schon bei der bevorstehenden Begegnung mit einer Frau, die Janes geheime Ängste nur allzu gut kannte. Und die es auch verstand, diese Ängste auszunutzen.
    Frost stieß das Tor auf, und sie gingen den geräumten Gar-tenweg entlang. Die Steinplatten waren vereist, und Jane musste sich so konzentrieren, um nicht auszurutschen, dass ihr ganz schwindlig war, als sie die Verandastufen erreich ten und sie Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten. Nicht die besten Voraussetzungen für eine Begegnung mit Joyce O'Donnell. Und es wurde auch nicht besser, als die Haustür aufging und O'Donnell sich ihnen in ihrer gewohnten Eleganz präsentierte: das blonde Haar zu einer gepflegten Kurzhaarfrisur gestylt, die pinkfarbene Button-down-Bluse und die Khakihose maßgenau auf den athletischen Leib geschneidert. Mit ihrem abgetragenen schwarzen Hosenanzug, die Aufschläge der Hose feucht von geschmolzenem Schnee, kam Jane sich dagegen vor wie eine arme Bittstellerin an der Pforte des Herrenhauses. Und genau dieses Gefühl will sie mir auch vermitteln.
    O'Donnell begrüßte sie mit einem kühlen Nicken. »Da sind Sie ja.« Sie trat nicht sofort zur Seite - eine Verzögerung, die demonstrieren sollte, dass sie und nur sie hier in ihrem eigenen Revier das Sagen hatte.
    »Dürfen wir reinkommen?«, fragte Jane schließlich. Dabei wusste sie natürlich, dass O'Donnell nicht wirklich die Absicht hatte, ihnen den Zutritt zu verwehren. Dass das Spiel bereits begonnen hatte.
    O'Donnell winkte sie herein. »Am ersten Weihnachtstag beschäftige ich mich eigentlich lieber mit anderen Dingen«, sagte sie.
    »Wir auch, das können Sie mir glauben«, konterte Jane. »Und das Opfer hatte sich den Tag sicher auch anders vorgestellt.«
    »Wie ich Ihnen bereits sagte, ist die Aufnahme schon gelöscht«, sagte O'Donnell, während sie ins Wohnzimmer vorranging. »Sie können sich das Band gerne anhören, aber da ist nichts zu hören.«
    Seit Janes letztem Besuch hatte sich im Haus nicht viel verändert. Sie erblickte die gleichen abstrakten Gemälde an den Wänden, die gleichen Orientteppiche mit ihren satten Farben. Das einzig neue Element war der Weihnachtsbaum. Die Bäume von Janes Kindertagen waren nicht gerade Zeugnisse erlesenen Geschmacks gewesen: die Zweige behängt mit einem bunten Sammelsurium von billigem Schmuck - alles, was stabil genug war, um frühere Weihnachtsfeste im Hause Rizzoli unbeschadet überstanden zu haben. Und Lametta - Unmengen von Lametta. Las-Vegas-Bäume , so hatte Jane sie immer genannt.
    Doch an diesem Baum hing nicht ein einziger Lametta-faden. Stattdessen zierten Kristallprismen und silberne Tränen die Zweige und warfen die Strahlen der Wintersonne wie tanzende Lichtsplitter auf die Wände. Sogar ihr verdamm ter Weihnachtsbaum verursacht mir Minderwertigkeitsge fühle.
    O'Donnell ging hinüber zum Anrufbeantworter. »Das ist alles, was ich noch habe«, sagte sie und drückte die Abspieltaste. Die digitale Stimme meldete: »Sie haben keine neuen Nachrichten.« O'Donnell sah die beiden Ermittler an. »Ich fürchte,
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