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Blutlinie

Blutlinie

Titel: Blutlinie
Autoren: Kim Jones
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Typen, die ich kennengelernt hatte, meldeten sich nach einiger Zeit nicht mehr. Und so war daraus nur ein Traum geworden. Genauer gesagt: Heiße Träume, die sich irgendwann einmal erfüllen sollten, aber es nicht taten. Vielleicht war ich zum Flirten einfach zu blöd.
    „Was denn?“, fragte sie spöttisch. „Ist doch wahr. Dann müsstest du dich nicht auf deinen blöden Hackbraten stürzen.“
    Ich mochte ihren Humor, hatte ich doch selbst solche Sprüche manchmal drauf. Doch verbunden mit mir waren sie weniger witzig, da sie mich daran erinnerten, wie ich lebte und was ich vermisste.
    Mary band ihre rote Schürze ab und verschwand mit „Bin gleich wieder da“ in den hinteren Räumen.
    Das Café war in einem warmen Orange gestrichen, an den Wänden hangen passende Bilder von dampfenden Kaffeekannen, Sahnetorten und Blumenvasen, die auf malerisch gedeckten Tischen standen. Auch hier lauerten Spukgestalten, Hexen, die im Schaufenster saßen und große Kürbisse, die sogar echt waren und geschnitzte Gesichter hatten. Die Tische waren von rot und weiß karierten Decken gesäumt, auf denen Zuckerstreuer und eine einzelne Tulpe in einer kleinen Vase stand.
    Die Theke war leer geräumt, damit sicher nichts von den Köstlichkeiten verdarb. In den Räumlichkeiten, in denen Mary verschwunden war, gab es mehrere Kühl- und Gefrierschränke, die die Waren frisch hielten. Verschiedene Kaffee- und Espressomaschinen reihten sich an der Wand auf, daneben stand ein Regal voller Geschirr und Besteck. Das Motiv der Tassen und Teller hatte es mir angetan: Eine einzelne Rose, umgeben von Blättern, auf denen Tautropfen so echt aussahen, als könne man sie wegwischen. Ich schaute eindeutig zu viele Liebesfilme. Seufzend knöpfte ich meinen Mantel auf, da kam auch schon Mary wieder.
    „Willst du nun was essen?“, fragte sie mich und wartete.
    „Nein, danke. Wie war dein Tag?“
    In Sachen Ablenkung war ich eine Meisterin.
    „Es war viel los.“ Sie setzte sich mir gegenüber und gähnte. „Die Leute haben gegessen wie die Verrückten. Und die alten Schachteln sahen sich laufend vorsichtig um, so als würde sich gleich so eine Papierhexe von der Decke auf sie stürzen.“
    Mary lachte laut auf, ich stimmte mit ein.
    „Und deiner?“
    „Ein ganz normaler Tag.“
    Ich zuckte mit den Schultern.
    „So aufregend?“
    Ich nickte missmutiger als ich wollte, verzog die Lippen.
    „Da habe ich doch etwas, das dich aufmuntern könnte.“
    Sofort fixierte ich Mary, wie sie in ihren Jeans und dem schwarzen Shirt vor mir saß, als könnte sie kein Wässerchen trüben, unschuldiger Augenaufschlag inklusive. Was hatte sie nun wieder vor?
    „Vor zwei Wochen wurde ein neuer Club eingeweiht, nicht weit von hier.“
    Mehr sagte sie nicht, schien zuerst auf meine Reaktion zu warten, die prompt kam.
    „Nein, diesmal nicht.“
    Meine Worte hallten durch das kleine Cafè.
    „Sei doch kein Spielverderber!“
    Mary verschränkte die Hände vor der Brust.
    „Ich habe wirklich keinen Bock“, versuchte ich mich zügig aus der Affäre zu ziehen. „Ich fühle mich auch nicht so gut.“
    Sie grinste mich an.
    „Du musst dir schon etwas neues einfallen lassen, Virginia-Maus. Diese Ausrede hast du schon so oft vorgeschoben, dass es nicht mehr feierlich ist. Und ich möchte nicht allein dort auftauchen. Also: Wann soll ich dich abholen? Sagen wir, gegen sieben?“
    „Kannst du nicht jemand anderem auf den Sack gehen? Du hast doch noch andere Freunde.“
    „Ich will aber mit dir dort hingehen“, flüsterte sie und beugte sich zu mir. „Bitte!“
    Hol sie doch der Teufel! Mary war wirklich ein harter Knochen! Ich musste zugeben, dass ich diesem Gedanken, mitzugehen, nicht so sehr abgeneigt war, was ich ein wenig befremdlich fand. Wahrscheinlich hatte ich mein ewiges Herumgeheule satt, dass ich so arm und ach so einsam war. Was hatte ich zu verlieren? Mary schien mein Zögern zu bemerken und lächelte triumphierend, dann wurde ihre Miene nachdenklich.
    „Virginia, ich meine es doch nicht böse, das musst du mir glauben. Es kann doch nicht gesund sein, nur zwischen Büchern Erfüllung zu erleben, oder?“
    Oh doch, das konnte man! Jedenfalls zeitweise. Vielleicht hatte sie recht, vielleicht war dem nicht so. Doch ab und an war es schön, sich in Romanen, Erzählungen und Geschichten zu verlieren und zu träumen. Dort, an diesen Orten, wurde ich nicht verletzt, alles war so greifbar und doch so fern, dass sich nach der letzten Seite in mir ein
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