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Blutlinie

Blutlinie

Titel: Blutlinie
Autoren: Kim Jones
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verdrehte daraufhin ihre klaren, blauen Augen und steckte den Löffel in eine Portion Sahneeis.
    „Sex kann sehr befreiend sein“, sagte sie leichthin mit einem Schulterzucken und ich musste über sie lächeln, weil sie immer alles so meinte, wie sie es sagte.
    Ich liebte sie inzwischen wie eine Schwester.
    Spaziergänge waren meine zweite Passion, sogar wenn es regnete, stürmte oder heftig schneite. Nichts konnte mich aufhalten. Und wenn solche extremen Wetterlagen herrschten, war ich froh, auf niemanden zu treffen, um diese Gefühle, die in mir ausgelöst wurden, zu genießen. Die Luft roch anders, wenn es geregnet hatte – erdig, klar und so unverfälscht nach Natur, dass ich sie gierig in mich aufnahm. Allein schon das Geräusch der prasselnden Tropfen auf den Blättern erfüllte mich mit Ruhe und Gelassenheit, die ich nicht immer in meinem Inneren verspürte.
    Ich war ein Mensch, der zwiespältig war, jedoch nicht absichtlich. Gefühle ließen sich nun einmal nicht leiten. Nach einigen Dingen, die in meinem Leben geschehen waren, wurde ich vorsichtig und übte zu den Menschen eine geradezu einstudierte Zurückhaltung. Dabei war ich aber nicht auf den Mund gefallen. Man konnte in Distanz und Reserviertheit leben, jedoch musste man sich nicht alles gefallen lassen. Und eine große Klappe hatte ich schon immer, deswegen traute man mir diese Verschlossenheit auch nicht zu.
    Niemandem erzählte ich, wie ich lebte und was ich tat, auch wenn die Leute – insbesondere die Klatschtanten in meiner Kleinstadt – mich oft ansprachen, warum so ein hübsches Mädchen denn keinen Mann hätte. Ich musste schmunzeln, als ich an Mrs. Petersens Versuche dachte, mich ihrem Sohn vorzustellen. Er war ein dünner Kerl mit großen braunen Augen, der mit hochrotem Gesicht vor mir stand und so viel stotterte, dass ich kaum ein Wort verstand. Sie hatte ihn doch tatsächlich vorgeschickt, damit er nach Büchern über Gartenanbau fragte, obwohl ihn das nicht die Bohne zu interessieren schien. Egal, welches Buch ich ihm zeigte, er wurde immer stiller, nickte nur und sah sich immer wieder panisch um. Ich erlöste ihn schließlich und meinte, dass seine Mutter doch selbst vorbeikommen sollte, um das richtige herauszusuchen. Dankbar verschwand er aus dem Laden und kam danach nie wieder. Ich musste schließlich nicht auch Jedermanns Typ sein.
    Später erfuhr ich, dass er sich verlobt hatte. Ende gut, alles gut? Doch für wen? Ich meine damit nicht, dass ich eifersüchtig war, weil ich ihn kannte, denn das tat ich ja nicht. Ich war nur durcheinander, weil ich niemanden fand, der mir so wichtig war, sodass ich mir vorstellen konnte, eines Tages das Ehegelöbnis auszusprechen, was ich immer lächerlich befunden hatte. Und doch kam oft eine Traurigkeit durch, die mich ohnmächtig werden ließ.
    Nicht im übertragenen Sinne, doch in solchen Augenblicken fühlte ich mich so einsam und gottverlassen wie kein zweiter Mensch. Und dabei hatte ich selbst Schuld, dass ich noch verlassener als ein verdammter Eremit lebte.
    Oh nein, ich lebte nicht, ich existierte.
    Meine Augen schweiften über die Straße, zu den beleuchteten Kürbissen, den Hexenpuppen, die in den Bäumen hangen und den herbstlich geschmückten Geschäften. Die bunten Lichter wärmten mir das Herz, ich war schon eine kleine Romantikerin, ohne es wahrhaben zu wollen, aber die kalten Jahreszeiten verleiteten mich dazu, mich unter eine riesige, flauschige Decke zu kuscheln, eine Kerze auf dem Tisch stehen zu haben und solche Filme wie ‚Schlaflos in Seattle’ zu schauen, um dann richtig gepflegt abzuheulen.
    Wo waren solche Männer wie Tom Hanks? Wo trieben sich die herum? Warum sagte man uns Frauen nicht, dass es eben nur Filme waren und sie gar nicht existierten? In Wirklichkeit wollten wir es doch gar nicht wahrhaben, so viel stand fest. Männer träumten von Frauen, die sie in Zeitschriften beäugten und in Pornos sahen, und sie kamen genauso wenig an sie heran wie wir an unsere Traummänner aus den Filmen und Büchern. Und trotzdem machte es mir eine riesige Freude, mir immer wieder das Gleiche anzutun: Ich schob den Film in den DVD-Recorder, holte aus dem Kühlschrank eine Familienpackung Schokoladeneis und dann ging’s los. Meine Taschentücher gingen an so einem Abend rapide zur Neige, mein Gesicht sah aus wie ein Fleischklops – rot und verquollen, und pünktlich zum Abspann fühlte ich mich innerlich noch leerer.
    Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich von mir
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