Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutleer

Blutleer

Titel: Blutleer
Autoren: Silvia Kaffke
Vom Netzwerk:
bemerkt. Er sprach ununterbrochen.
    »Nun schreiben Sie das schon auf. Ich stach mit dem Messer auf sie ein, zuerst in den Unterleib, dann in den Brustkorb und den Hals. Und dann nahm ich mir ihren Kopf vor, dabei brach die Messerspitze ab.«
    Barbaras Blick fiel auf das Messer, das auf dem anderen Schreibtisch lag. Es war braun von eingetrocknetem Blut, nicht nur die Klinge, auch der Griff waren völlig verschmiert.
    Der Beamte, dem der Mann das grauenvolle Diktat gegeben hatte, sah auf und erhob sich. »Frau Pross!« Er war groß und dunkelhaarig. Offensichtlich kannte er Barbara. Und im Moment verspürte sie wenig Lust, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie inzwischen einen Doppelnamen trug.
    »Guten Abend.« Sie sah zu den beiden Beamten. »Wenn ich Sie beide kenne, dann muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich Ihre Namen vergessen habe.«
    »Gunter Reitze«, stellte sich der Große vor. »Und mein Kollege war damals noch nicht hier.«
    »Frank Schmitz.« Der andere war klein und rund, ein spärlicher Haarkranz zeigte ein dunkles Blond. »Wirklich gut, dass Sie jetzt hier sind.«
    Der gefesselte Mann wandte sich um und musterte zuerst Sven und dann Barbara. Er hatte helle, aber sehr tiefliegende Augen, die sie aus einem faltigen, verlebten Gesicht anstarrten. Der Beamte draußen hatte ihn treffend beschrieben, seine Kleidung war sauber und gepflegt, aber der Anzug, den er trug, war schon seit Jahren aus der Mode. Es schien, als habe er sich für seinen Auftritt hier fein gemacht.
    »Ich kenne Sie aus dem Fernsehen«, sagte er zu Barbara, aber Sven unterbrach ihn.
    »Ich bin Kriminalhauptkommissar Sven Heyer und werde Sie jetzt weiter vernehmen. Frau Dr. Hielmann-Pross wird als Beobachterin an dem Verhör teilnehmen. Kommen Sie bitte.«
    Der Mann stand langsam auf. Sven packte ihn am Arm und dirigierte ihn in Richtung Tür. »Barbara?«
    »Geh nur. Ich komme gleich nach.«
    »Gut. Wir sind in meinem Büro, du kennst dich ja aus.«
    Den beiden Beamten war die Erleichterung anzusehen, dass sie den Mann jetzt los waren. Barbara deutete auf das Messer. »Das sollten Sie besser eintüten.«
    Schmitz sprang auf. »Ich mach das sofort.« Er ging zu einem Schrank und suchte dort nach einer Tüte.
    Währenddessen fragte Barbara: »Als der Mann hier hereinkam, welchen Eindruck machte er auf Sie?«
    Schmitz sah Reitze, der immer noch hinter seinem Schreibtisch stand, an, und der nickte aufmunternd. »Gunter war mal kurz um die Ecke. Der Typ spazierte hier herein, trat an die Theke und sagte, er wolle ein Verbrechen melden. Wissen Sie, genauso wie jeder, der eine Anzeige machen will. Ich holte ein Formular. Dann fragte ich nach seinem Namen und den anderen persönlichen Angaben, um sie dort einzutragen. Er wirkte ein wenig ungeduldig, so als wollte er sein Anliegen unbedingt loswerden, aber das ist auch nichts Ungewöhnliches.«
    »Als ich dann von der Toilette zurückkam«, fiel Reitze ihm ins Wort, »da sagte er gerade ›mein Name ist Rudi Hirschfeld, geboren am …‹ – na, ja, das steht ja auf dem Formular, jedenfalls 1952 – ›und ich habe sechs Menschen umgebracht‹.«
    »Ich war so perplex, dass ich gar nicht auf die Idee kam, er könnte gefährlich sein«, fuhr Schmitz fort, und Barbara merkte, dass es ihm schon ein wenig peinlich war. »Aber im nächsten Moment holte er das Messer aus der Tasche.«
    Reitze ballte seine Fäuste. »Ich habe ihn dann an die Theke gedrückt und ihm Handschellen angelegt. Die Durchsuchung ergab keine weiteren Waffen.«
    »Und das war dieses Messer dort?«, fragte Barbara.
    Schmitz hatte endlich die Plastikbeutel gefunden, kam zu seinem Schreibtisch und tütete das Messer fachmännisch ein. Dann zeigte er es Barbara.
    »Ja. Und sehen Sie, die Spitze ist abgebrochen. Genauso etwas sucht die Mordkommission im Fall Julia Janicek.«
    Barbara überlegte. Julia Janicek war eine Sechzehnjährige gewesen, die man vor etwa drei Monaten aus dem Duisburger Hafen gefischt hatte. Sie hatte unzählige Stichverletzungen, ein paar sogar im Kopf. Dabei war die Messerspitze abgebrochen, man hatte sie im Schädel der Toten gefunden. Trotzdem gab es bisher keine heiße Spur, man hatte sich sogar an
Aktenzeichen XY
gewandt, um das Messer zu suchen. Besondere Empörung in der Öffentlichkeit hatte die Tatsache ausgelöst, dass das Mädchen gehörlos war. Sie besuchte das Berufskolleg für Hörgeschädigte in Essen und war nachts auf dem Rückweg von einer Schulfeier verschwunden.
    »Ich nehme an,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher