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Blutleer

Blutleer

Titel: Blutleer
Autoren: Silvia Kaffke
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Schlüssel und Handtasche, zog Özay hinter sich her und übergab ihn dem Taxifahrer, dem sie seine Adresse nannte. Dann drückte sie ihm einen Fünfzig-Euro-Schein in Hand. »Fahren Sie ihn nach Hause. Fahren Sie ihn keinesfalls woanders hin, verstanden?«
    Gerade als Özay in das Taxi kletterte, bog Thomas’ schwarzer Mercedes CLK in die Einfahrt. Er fuhr zur Seite, weil mehr als drei Wagen nicht vor das Haus passten und stieg aus. Aus sicherer Entfernung beobachtete er, wie das Taxi mit Özay davonfuhr.
    Als er sah, dass Barbara in ihren Wagen steigen wollte, kam er schnell hinüber. »Das war doch Özay? Was wollte der denn hier?«
    »Guten Abend, Thomas.«
    »Entschuldige bitte. Guten Abend.« Er wollte Barbara küssen, aber die wich ihm aus.
    »Ich muss nach Duisburg. Es kann spät werden. Warte nicht auf mich.« Sie schloss die Tür und fuhr los.
    Den ganzen Weg in die Nachbarstadt über wog Barbara immer wieder die Fakten gegeneinander ab. Thomas hatte sie mit einer Studentin betrogen, da war Özay sich sicher, und der lag selten falsch. Thomas hatte sich wohl von seinem Helfersyndrom hinreißen lassen. »Nicht zum ersten Mal«, murmelte sie. Schließlich hatten sie beide sich genauso kennen gelernt. Aber war das schon eine Affäre?
    Kurz bevor das Polizeipräsidium in Sicht kam, versuchte sie, die privaten Gedanken abzuschütteln. Jetzt war die Kriminalistin gefragt. Sie konnte verstehen, warum Sven erst sie konsultieren wollte. Verrückte gab es schließlich genug, die sich aller möglichen Taten bezichtigten. Merkwürdig war nur, dass das normalerweise passierte, wenn bereits nach einem Serientäter gesucht wurde. Hier gab es nichts, es gab nicht einmal eine Serie.
    Sie betrat den hässlichen Backsteinbau, der ihr seit den Kindermorden 2001 vertraut war. Der Diensthabende winkte sie wortlos durch.
    »Ist Heyer schon da?«
    »Ja, in seinem Büro. Er wartet auf Sie.«
    In diesem Moment kam Sven Heyer schon die Treppe herunter. Er begrüßte Barbara mit einer freundschaftlichen Umarmung. Zu ihrem Erstaunen entdeckte sie, dass er sein Haar inzwischen kürzer trug. Sie hatte seine langen, welligen Haare immer gemocht. Jetzt wirkte er wie ein Yuppie, zumal er eine Krawatte trug und das Hemd im Gegensatz zu früher in die Hose gesteckt hatte. Der Dreitagebart war auch verschwunden. Heyer war in den letzten zwei Jahren erstaunlich seriös geworden.
    »Wollen wir?«, fragte er. »Die Jungs drüben sind sicher froh, wenn sie ihren Gast schnell loswerden.«
    »Einen Moment noch.« Barbara wandte sich an den Pförtner. »Sie haben gehört, was los ist?«
    Er nickte. »Die Kollegen von der Kriminalwache haben es mir erzählt. Der Kerl hat sechs Morde gestanden.«
    Barbara sah ihm an, dass ihn diese Mitteilung doch erschüttert hatte. »Saßen Sie schon hier, als er hereinkam?«
    Der Beamte nickte. »Das war so gegen neun. Er kam und erkundigte sich, wo er ein Verbrechen melden könnte. Ich schickte ihn zur Kriminalwache.«
    »Welchen Eindruck hatten Sie von ihm?«
    Der Uniformierte überlegte kurz. »Ich erwartete so etwas wie Kleindiebstahl oder eine Nachbarschaftsstreitigkeit. Er war ein bisschen nervös, aber nicht mehr als die meisten braven Bürger, wenn sie zu uns kommen müssen.« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Hoffentlich ist das nur so ein Spinner.«
    Barbara konnte ihm da nur beipflichten. »Wie sah er aus?«, fragte sie weiter.
    »Eigentlich ist mir nichts Besonderes aufgefallen. Er war sauber gekleidet, wirkte aber ärmlich. Wie ein Sozialhilfeempfänger, der peinlich darauf bedacht ist, sich sorgfältig zu kleiden. So ein völlig unauffälliger Typ. Ihm fehlte ein Schneidezahn.« Er machte eine Pause, dann fuhr er fort. »Gepflegt stimmt zwar. Aber das ist so einer, wissen Sie, der kann sich täglich dreimal duschen und die Kleidung wechseln, der wirkt immer irgendwie schmierig. Starke Geheimratsecken, schwarz gefärbte Haare, er benutzt Pomade oder so was, um sie nach hinten zu kämmen.«
    Barbara nickte. »Vielen Dank.« Sie wandte sich an Heyer. »Dann lass uns mal rübergehen.«
    In den Räumen der Kriminalwache herrschte eine gespannte Atmosphäre, in die hinein eine heisere, unangenehme Stimme sprach. Der Mann lispelte, Barbara dachte an die Zahnlücke, die der Beamte draußen beschrieben hatte. Er hockte, die Hände mit Handschellen hinter dem Rücken gefesselt, auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch eines der Beamten. Er wandte ihnen den Rücken zu, Barbara und Sven hatte er noch gar nicht
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