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Blutiger Spessart

Blutiger Spessart

Titel: Blutiger Spessart
Autoren: Guenter Huth
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Gehhilfe. Kerner registrierte mit Verwunderung, dass sich plötzlich der rechte Griff des Rollators und ein Teil des Rohres aus dem Gestell herauslösten.
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz! Mein Gott, das ist ja eine Waffe! Da richtete sich der Mann auf, sah ihm in die Augen und rief laut, während er die Waffe hob: »Schöne Grüße von Don Emolino und Ricardo!«
    Kerners Reaktion erfolgte instinktiv, ohne Überlegung. Damit überrumpelte er alle Personen, die noch neben ihm in Pose standen. Mit Wucht gab er der neben ihm stehenden Steffi einen heftigen Stoß, sodass sie gegen die Präsidentin des Landgerichts stürzte und diese gegen den Oberlandesgerichtspräsidenten fiel. Alle drei strauchelten und stürzten in einem Knäuel zu Boden.
    Gleichzeitig riss Kerner seinen Revolver aus dem Holster, ließ sich auf beide Knie fallen und feuerte ohne zu zögern auf den nur fünf Meter von ihm entfernt stehenden Angreifer. Die beiden Schüsse aus der Rollatorwaffe und aus Kerners Revolver verschmolzen fast zu einem. Kerner, der nur um den Bruchteil einer Sekunde schneller war, traf den Schützen mitten in die Brust. Der Mann wurde heftig nach hinten geschleudert, dabei stieß er einen heiseren Schrei aus. Sein Schuss zischte so knapp an Kerners Oberkörper vorbei, dass er in den fliegenden Flügel seines Jacketts ein Loch riss. Anschließend schlug er in die Umrandung der Bühne ein.
    Der Attentäter ließ seine Waffe fallen, die laut klappernd über den Parkettboden schlitterte. Kerner war total überrascht, als sich der Mann plötzlich wieder aufrappelte und, zwar immer noch leicht taumelnd, flüchtete. Er war sicher, ihn schwer verletzt zu haben. Das Ziel des Flüchtigen war der Nebenausgang, durch den er vorhin hereingeführt worden war. Dabei stieß er eine Geigerin zu Boden, die schrill aufschrie. Ihr Instrument fiel mit einem lauten Missklang neben sie.
    Durch die Schüsse alarmiert, kamen die Justizwachtmeister und Brunner in die Aula gerannt.
    »Er ist durch die Seitentüre hinaus!«, brüllte Kerner, der längst wieder auf den Beinen stand. »Ich habe ihn schwer getroffen. Er kann nicht weit kommen!«
    Brunner zog seine Dienstwaffe und rannte in die angegebene Richtung.
    Die Justizwachtmeister, die über keine Schusswaffen verfügten, halfen dem Präsidenten und der Präsidentin auf die Füße.
    In diesem Moment ertönte draußen wieder ein Schuss. Hatte Brunner geschossen?
    Kerner rannte nach draußen. Sein gehetzter Blick huschte über den Platz. Er konnte weder Brunner noch den Attentäter sehen. Kerner spurtete über den Rasen der Begrünungsfläche. Er wollte Brunner zu Hilfe kommen, aber es war nicht nötig. Schon nach wenigen Metern sah er den Freund langsam zurückkommen. Seine Waffe hatte er bereits eingesteckt. Kerner tat es ihm nach.
    »Bist du in Ordnung?«
    Brunner nickte.
    »Und wie steht es um dich?«
    »Nur der Anzug ist im Eimer«, erwiderte er und wies auf das Schussloch. »Wo ist der Kerl? Ich habe ihn doch voll getroffen.«
    »Über alle Berge«, gab Brunner zurück. »Vermutlich trug er eine Schutzweste. Der ist gerannt wie ein Wiesel. Ein Stück weiter unten hatte er ein Motorrad stehen. Er hat dann einen Schuss auf mich abgegeben, der mich in Deckung zwang. Der Moment hat ihm genügt, um abzuhauen. Da hatte ich keine Chance. Das war definitiv ein Profi!«
    »Du hast recht, der Killer kam tatsächlich von der Mafia. Du konntest es nicht hören, weil du draußen warst. Er hat mir Grüße von Don Emolino und Ricardo ausgerichtet, bevor er schoss. Zum Glück. Durch diese kurze Verzögerung bekam ich meine Chance.«
    Sie betraten den Saal.
    Die Presseleute umstanden den Oberlandesgerichtspräsidenten und machten sich eifrig Notizen. Der Kameramann hielt die Szene in bewegten Bildern fest. Als sie Kerner und Brunner hereinkommen sahen, stürzten sie sich sofort auf die beiden, doch diese gaben keinen Kommentar ab.
    Steffi stand noch völlig geschockt an ihrem Platz. Als sie Kerner sah, eilte sie zu ihm und streichelte ihm über den Arm. »Bist du unverletzt?«
    »Den Anzug kann ich wohl wegwerfen«, meinte Kerner trocken, »ansonsten bin ich in Ordnung.« Beiläufig betrachtete er das große Loch in der Bühnenumrandung. Ein Schauer lief ihm über den Rücken.
    »Herr Kerner, können Sie mir das erklären?« Der Oberlandesgerichtspräsident wirkte relativ gefasst, eher verärgert. Zwischenzeitlich waren alle Gäste wieder in die Aula zurückgeströmt, weil sie sich eine Aufklärung des
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