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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Autoren: Charlotte Kern
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wir mit den Kernen machen. Einen Weitspuckwettbewerb.«
    »Sebastian!«, sagte Sybille.
    Leonie war heilfroh, als die Kaffeestunde mit ihren Geschwistern vorbei war und Leander zielbewusst auf das Regal zukrabbelte, dessen untere Böden sie ausgeräumt und mit seinen Spielsachen gefüllt hatte. Erschöpft ließ sie sich auf einen Stuhl sinken und goss sich selbst einen Kaffee ein. Nach dem ersten Schluck wurde sie noch müder.
    »Wir sehen uns morgen. Mein Impftermin mit Leander ist um vier«, sagte sie zu Sybille. »Danach fahre ich mit dem Bus zu dir rauf.«
    Die Schwestern wollten gemeinsam das Internet durchforsten, um für Leonie eine eigene Wohnung zu suchen.
    »Verschieb es nicht wieder!«, sagte Sybille beschwörend. »Das ist doch kein Leben. Du hier mit den zwei … Chaoten. Und Vater, na ja.«
    »Danke«, sagte Sebastian und lüpfte spöttisch einen nicht vorhandenen Hut.
    »Und wie sieht es überhaupt mit deiner Assistentenstelle an der Stuttgarter Uni aus? Du hast dich doch beworben, oder etwa nicht?«
    Sebastian stand auf, hob Leander in die Luft und schwenkte ihn einmal im Kreis herum. »Gib ihr Zeit, Billie! Manche Leute erleben ein Coming-out, und Leonie hat ihr Coming-home erlebt.«

2.
    Es war ein dunstiger Tag Anfang Mai. Die Vorstadtstraße in Stuttgart-Zuffenhausen lag wie ausgestorben. Massimo Girolamo hatte die Pizzeria wie immer nachmittags um halb drei geöffnet. Jetzt würden zwar noch keine Kunden kommen, aber es brauchte Zeit, den Teig und die Beläge vorzubereiten und die Öfen auf die richtige Temperatur zu bringen. Andrea, sein Sohn, der neben seiner Arbeit im Porschewerk für ihn als Fahrer jobbte, war noch nicht da. Schon fast zwanzig Jahre lang betrieb Massimo die Pizzeria »Il Forno« in der Arbeitervorstadt Zuffenhausen. Er war grau geworden darüber, und seine Knochen waren müde. Dazu kam, dass die Geschäfte besser laufen könnten. Kurzarbeit, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit. Die Leute kochten lieber selbst, aber seine Frau Maria und er kamen über die Runden. Andrea war bei Porsche gut versorgt, und ihre Tochter Bianca hatte in der Toskana einen Gastwirt geheiratet und machte den großen Reibach mit ihrer Osteria in Montepulciano. Er konnte also zufrieden sein. Wenn er auf der Hut war.
    In aller Ruhe öffnete Massimo eine große Dose Artischockenherzen, goss sie ab und füllte eine Porzellanschüssel damit. Vor der Verkaufstheke standen drei Kisten Tomaten, deren Qualität er überprüfte. Bene, genau so mussten sie sein! Länglich und aromatisch. Andrea hatte sie in der Nacht auf dem Großmarkt gekauft und dabei seinen Kennerblick bewiesen. Er schaute auf das Schild an der Kiste. Das waren keine holländischen Treibhausdinger, die die Sonne nur dem Namen nach kannten, sie stammten aus Sizilien, so wie Massimo und Maria. Nicht mehr lange und sie hatten genug zusammengespart für ihren Lebensabend an der Küste. In Stuttgart war sogar der Sommer neblig, verhangen und staubig von den Abgasen. Wie er sich nach dem Meer und der Sonne sehnte!
    Kaffeeduft breitete sich aus. Er hatte die Espressomaschine schon angeworfen und freute sich auf die Tasse Cappuccino, die sie sich nachmittags immer gönnten.
    »Maria, Caffè «, rief er in die Küche.
    Niemand konnte den Pizzateig so glatt und dünn auswellen wie sie. Manchmal warf sie ihn in die Luft, und wenn er dann wieder auf dem Teller landete, war er durchsichtig und weich wie ein Seidentuch. Irgendwann, scherzte er mit ihr, würde mal einer davonfliegen wie ein Heißluftballon.
    Die Ladenglocke ging, und zwei junge Kerle betraten die Pizzeria. Früh eigentlich, aber immerhin Kunden und mit dem Hunger der Jugend gesegnet. Der Ältere war knapp über zwanzig und trug eine Baseballmütze auf dem kurzgeschorenen Haar. Seine Muskeln waren vom Training im Fitnessstudio gestählt.
    »Ciao« , sagte er.
    »Ihr müsst etwas warten. Maria ist noch nicht ganz fertig mit dem Teig.«
    »Fa niente« , sagte der Ältere in geläufigem Italienisch. »Due pizze. Da portare via. Per me, diavolo.« Er setzte sich auf einen der Barhocker, die an der Theke standen. »Was möchtest du?«, wandte er sich an seinen jüngeren Begleiter.
    »Con carciofi« , sagte der Jüngere, der noch beinahe ein Kind war, leise.
    Als er die Angst in seinen dunklen Augen sah, begannen Massimos Hände unwillkürlich zu zittern. Das Milchkännchen, in das er die geschäumte Milch für den Caffè gefüllt hatte, fiel ihm aus der Hand, zerbarst in tausend Stücke und
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