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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Autoren: Charlotte Kern
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zielstrebigen Schwestern quälte er sich mühsam durchs Gymnasium und hatte höchstens am Kunstunterricht ansatzweise Interesse. Ob er in diesem Jahr das Klassenziel erreichen würde, war höchst fraglich, denn im Moment brauchte sein Einsatz gegen Stuttgart 21 sein Zeitbudget auf.
    Als sie die Haustür ins Schloss fallen hörten, nickten sie einander grimmig zu. »Er braucht ein strenges Regiment«, sagte Sybille düster. Mit Schwung stellte sich Leander auf und grabschte nach der Schüssel mit dem Zwiebackbrei. »Gleich«, sagte seine Mutter und nahm ihn auf den Arm.
    »Ich habe ja gar nichts gegen politisches Engagement. Und wer für den Tiefbahnhof ist, hat ja auch wirklich nichts begriffen«, flüsterte Sybille. »Aber müssen es gerade die Parkschützer sein?«
    Von allen Aktivisten rund um Stuttgart 21 hatte sich Sebastian ausgerechnet den Kompromisslosesten angeschlossen. Bei den Parkschützern kreuzte hin und wieder die Polizei zu Hausdurchsuchungen auf, um Handyvideos zu konfiszieren, die sie ins Internet gestellt hatten. Leonie war heilfroh, dass sie den Sprung ins beschauliche Esslingen noch nicht geschafft hatte, denn was ihr Bruder so alles an Videos hortete, wollte sie lieber gar nicht wissen. Auf den Demos filmte er mit Hingabe alle, die er für Zivilbullen hielt, und hatte nach dem schwarzen Donnerstag am 30. 9. 2010 jede Menge Material hochgeladen, das den martialischen Einsatz der Polizei gegen die Demonstranten dokumentierte.
    In diesem Moment sprang die Küchentür auf, und eine Sporttasche schlitterte quer über den schwarzweiß gekachelten Boden in die Ecke neben dem Kühlschrank. Ihr Besitzer lümmelte sich auf die Eckbank.
    »Ausräumen und wegstellen!«, sagte Leonie kalt.
    Sebastian zuckte die Schultern. »Wenn ihr euch den Geruch meiner Sportschuhe antun wollt, bitte!« Er angelte nach der Tasche und machte Anstalten den Reißverschluss zu öffnen.
    »Draußen!«
    Sebastian war groß und schlacksig. Er hatte sich die dunklen Haare vor einer Woche selbst kinnlang abgeschnitten und trug in jedem Ohr, nach Größe aufgereiht, fünf Ringe. Auf seinem schwarzen Che-Guevara-T-Shirt prangten alle Buttons, die je gegen den geplanten Tiefbahnhof verkauft worden waren, und dazu noch ein besonders großer »Atomkraft – Nein Danke«-Anstecker. Als er seine Schuhe in den Flur geräumt hatte, setzte er sich an den Küchentisch.
    »Hallo Basti!«, sagte Sybille. Leonie mutmaßte, dass sie den verunglückten Beginn der Begegnung wiedergutmachen wollte.
    »Hallo Billie.«
    Niemand im Haus nannte sie mehr bei ihrem Spitznamen aus Kindertagen, außer Sebastian, wenn er sie ärgern wollte, und das war ziemlich oft der Fall.
    »Na, Kanakenbrut!«
    Begeistert streckte Leander seinem Onkel die Arme entgegen und ließ sich von ihm über den Tisch heben.
    »Das ist rassistisch«, murmelte Sybille entnervt.
    Er zuckte die Schultern. »Eure Political Correctness ödet mich an.« Hin und wieder versuchte er, Leonie mit dem Aussehen ihres schwarzhaarigen, brombeeräugigen Sohnes auf die Palme zu bringen, dessen Vater sie einfach nicht offenbaren wollte. Was tat man mit pubertierenden Brüdern? Ruhe bewahren , dachte sie. Der Kleine war begeistert von seinem Onkel. Er liebte es besonders, wenn dieser ihn so halsbrecherisch durch die Luft segeln ließ, dass er fast an die Decke stieß. Sebastian setzte sich mit ihm auf die Bank.
    Während Leonie den Zwiebackbrei Löffel für Löffel in Leanders Mund schob, kaute Sybille missbilligend auf ihrem Kuchen herum. »Kirschkuchen zum Spucken!«, murmelte sie, entfernte eine ganze Reihe von Kernen aus ihrem Mund und legte sie mit spitzen Fingern an den Tellerrand.
    »Heute Morgen hat der Kleine mir einfach keine Zeit gelassen«, entschuldigte sich Leonie. Leanders gute Laune war mit drei Stunden heftigem Zahnen am Morgen erkauft worden. Weinerlich hatte er seinen Platz auf ihrer Hüfte keinen Moment lang aufgeben wollen, so dass an eine so zeitraubende Tätigkeit wie Kirschenentsteinen einfach nicht zu denken gewesen war.
    »Ich würde sagen, du hattest schlicht und ergreifend keinen Bock«, warf ihr Bruder gönnerhaft ein.
    Leonie nahm sich vor, ihn zu ignorieren, und reichte Leander einen weiteren Löffel Brei.
    »Hmm«, machte dieser und sperrte seinen Mund auf wie ein junger Spatz.
    »Man sieht, dass du kein Kostverächter bist, Neffe«, sagte Sebastian und kniff Leander in seinen dicken Oberschenkel. Dann probierte er selbst von seinem Kirschkuchen. »Ich weiß, was
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