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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Autoren: Charlotte Kern
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Früchte vorsichtig auf die Bank und hängte sich je zwei zusammengewachsene Kirschen über beide Ohren. Pandora, dachte Leonie und wusste nicht genau, warum.
    Ein leiser Protest von Leander beendete das Gespräch. »Mein Kind«, sagte sie entschuldigend.
    »Hast du schon eins? Siehst eigentlich gar nicht so aus.«
    Wie eine Königin entließ Flavia sie mit einem Schlenker ihrer Hand. Leonie sprang einen Moment später neben dem Kleinen ins Gras. Sie musste lachen, denn er hatte seinen Schnuller ausgespuckt und sich stattdessen den großen Zeh in den Mund geschoben.
    »Du perfekter kleiner Yogi«, sagte sie und hob ihren Sohn auf die Hüfte. »Ciao Flavia«, rief sie.
    »Ciao, und vergiss mich nicht«, kam es von oben.
    »Leonie?« Sybille stand in der offenen Terrassentür und schaute sich suchend um.
    »Hier sind wir.«
    Den Kleinen auf der Hüfte schnappte sie sich den randvollen Eimer und machte sich auf zum Haus. Es war sowieso Zeit. Sie hatte sich mit ihrer Schwester zum Kaffee verabredet. Da musste die Marmelade eben warten.
    »Mein kleiner Neffe!« Sybille streckte die Hände nach Leander aus, der es sich einen Moment später auf ihrem Arm bequem machte. Gemeinsam betraten sie die Küche. Das Haus war alt, ein zugiger Kasten, in den Dreißigerjahren gebaut, als man noch Küchen plante, in denen eine ganze Großfamilie zum Kochen, Essen und Einmachen Platz fand. Als Leonie schwanger gewesen war, hatte sie den Raum auf Vordermann gebracht. Sie hatte die Wände geweißelt, die Regale und den alten Holztisch abgeschliffen und eingeölt. Auf die Fensterbank hatte sie ihre Kräutertöpfe mit Rosmarin und Thymian gestellt, fast so, als hätte sie vor zu bleiben.
    »Und wo steckt die Restfamilie?«
    »Vater angelt am Kanal.«
    »Was sonst?« Sybille hob die Augen zum Himmel. Wann immer er es ermöglichen konnte, machte sich Gottfried Hausmann auf, um seiner Leidenschaft nachzugehen und dabei so viel Ruhe wie möglich zu tanken. Meistens gab es dann Fisch zum Abendessen, den er zum Glück – Leonie schlug drei Kreuze, dass es so bleiben möge – selbst ausnahm, putzte und in die Pfanne warf.
    Sybille setzte sich mit Leander auf die Eckbank. Sie war ebenso groß und blond, wie Leonie klein und braunhaarig war, was ihren Vater dazu brachte, seine Töchter Weide und Haselnuss zu nennen. Vor seiner Emeritierung hatte er als Professor für Botanik in Hohenheim gelehrt. Leonie hasste solche Klassifizierungen, vor allem, wenn sie bei dem Vergleich schlechter wegkam. Denn Sybille hatte ihr Leben im Griff. Sie war als Gymnasiallehrerin für Deutsch und Geschichte festangestellt und bereitete gerade ihre Hochzeit mit ihrem langjährigen Freund Martin vor, der bei Daimler als Entwicklungsingenieur arbeitete. Selbstverständlich in der Stadtkirche und mit allem Drum und Dran.
    Aber ein Kind hat sie nicht, dachte Leonie. Flink holte sie die Kaffeebecher aus dem Regal und verteilte Kuchenteller auf dem Tisch, alles aus Mamas altem, weißblauem Geschirr, das der schäbigen Küche einen verblichenen Landhauscharme verlieh. Während Leander mit Sybilles Autoschlüssel spielte, vermischte sie in einer Schale einen Zwieback mit einer zerdrückten Banane und etwas abgekochtem heißem Wasser. Mit dieser Mischung waren alle drei Hausmannkinder als Babys gefüttert und groß und stark geworden. Dann goss sie ihrer Schwester Kaffee ein, was Leander neugierig beobachtete. »Mit Milch?«, fragte sie.
    »Wie immer«, sagte Sybille. »Und was macht der Kleine?« Damit meinte sie nicht Leander, sondern ihren Bruder Sebastian, der mit siebzehn der Jüngste in der Geschwisterreihe war. Als Leander nach der Tasse griff, schob Leonie sie geistesgegenwärtig ein Stück nach hinten.
    »Nein«, sagte sie. »Er hat Mittagsschule, Basketball.« Sie holte das Kirschkuchenblech aus der Speisekammer und schloss die Tür mit einem geschickten Stoß ihres Ellbogens. »Das hoffe ich jedenfalls.«
    Ihre Schwester legte die Stirn in Falten. »Er soll bloß nicht anfangen zu schwänzen. Das ist der Anfang vom Ende.« Seit ihre Mutter vor beinahe zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, hatte Sybille ein Stück Verantwortung für die Familie übernommen. Sebastian war damals erst sieben gewesen und so etwas wie ihr Ziehkind. »Bist du schwer, kleiner Mann.« Sie stöhnte und setzte Leander auf ihren anderen Oberschenkel.
    Mittlerweile waren Sebastians schlechte Schulnoten ein Dauerthema zwischen ihnen. Anders als seine fleißigen und
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