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Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21

Titel: Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21
Autoren: Jonathan Kellerman
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los. Sah auf mich herab, als wäre ich schwer von Begriff.
    »Irgendjemand. Auf. Sich. Aufmerksam. Zu. Machen!«

5
    Michaela kam zu drei weiteren Sitzungen. Sie verwandte die meiste Zeit darauf, eine Kindheit zu schildern, die von Vernachlässigung und Einsamkeit gekennzeichnet war. Die Promiskuität und verschiedene Krankheiten ihrer Mutter wurden mit jedem Besuch schlimmer. Sie erinnerte sich an jahrelange intellektuelle Niederlagen, jugendliche Kränkungen, chronische Isolation, die daher rührte, dass sie »wie eine Giraffe mit Pickeln aussah«.
    Psychometrische Tests ergaben, dass sie durchschnittlich intelligent war, ihre Impulsivität nicht im Griff hatte und dazu neigte, andere zu manipulieren. Keine Anhaltspunkte für eine Lernbehinderung oder Konzentrationsschwäche, und ihre MMPI-Lügenskalawerte waren erhöht, was bedeutete, dass sie nicht aufgehört hatte, eine Rolle zu spielen.
    Abgesehen davon schien sie eine traurige, verängstigte, verletzliche junge Frau zu sein. Das hielt mich nicht davon ab, die notwendigen Fragen zu stellen.
    »Michaela, der Arzt hat Blutergüsse in der Umgebung Ihrer Vagina gefunden.«
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Der Arzt, der Sie untersucht hat, sagte das.«
    »Vielleicht hab ich die blauen Flecken bei seiner Untersuchung bekommen.«
    »War er grob?«
    »Er hatte grobe Finger. Dieser Asiate. Ich hab gemerkt, dass er mich nicht leiden konnte.«
    »Warum sollte er Sie nicht leiden können?«
    »Das müssen Sie ihn fragen.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr.
    »Ist das die Geschichte, bei der Sie bleiben wollen?«, fragte ich.
    Sie streckte sich. Heute trug sie eine Bluejeans, die tief auf ihrer Hüfte saß, und ein Top aus weißer Spitze mit V-Ausschnitt, das oberhalb ihrer Taille endete.
    »Brauche ich eine Geschichte?«
    »Das könnte zur Sprache kommen.«
    »Das könnte es, falls Sie es erwähnen.«
    »Das hat nichts mit mir zu tun, Michaela. Es steht in der Akte.«
    »In der Akte«, sagte sie. »Als hätte ich ein großes Verbrechen begangen.«
    Ich sagte nichts.
    Sie zupfte an einer Spitze. »Wer interessiert sich schon für so etwas. Warum interessieren Sie sich dafür?«
    »Ich würde gerne verstehen, was im Latigo Cañon passiert ist.«
    »Passiert ist, dass Dylan verrückt geworden ist«, erwiderte sie.
    »In physischer Hinsicht?«
    »Er wurde ganz leidenschaftlich und hat mir blaue Flecken beigebracht.«
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Was normalerweise passiert.«
    »Und das heißt …«
    »Es ist das, was wir getan haben.« Sie wackelte mit den Fingern einer Hand. »Wir haben uns gegenseitig angefasst. Die paar Mal.«
    »Die paar Mal, die Sie intim waren.«
    »Wir waren nie intim . Ab und zu wurden wir scharf und haben uns angefasst. Natürlich wollte er mehr, aber ich hab ihn nie gelassen.« Sie streckte die Zunge heraus. »Ein paarmal hab ich ihn mit dem Mund da unten rangelassen, aber meistens waren die Finger im Spiel, weil ich ihm nicht zu nahe kommen wollte.«
    »Was ist im Latigo Cañon passiert?«
    »Ich verstehe nicht, was das damit zu tun hat … was passiert ist.«
    »Ihre Beziehung zu Dylan wird mit Sicherheit -«
    »Schön, schön«, sagte sie. »In dem Cañon waren es nur die Finger, und er wurde zu grob. Als ich mich beklagte, sagte er, er täte es absichtlich. Damit es realistisch ist.«
    »Für den Fall, dass man Verdacht schöpft.«
    »Das nehme ich an«, sagte sie.
    Sie schaute zur Seite.
    Ich wartete.
    »Es war in der ersten Nacht«, sagte sie. »Es gab ja sonst nichts zu tun. Es war so langweilig, nur da oben zu sitzen und keinen Gesprächsstoff mehr zu haben.«
    »Wie bald ist Ihnen der Gesprächsstoff denn ausgegangen?«, fragte ich.
    »Sehr bald. Er stand nämlich auf diese Zen-Geschichte, von wegen Schweigen . Zur Vorbereitung auf die zweite Nacht. Er sagte, wir müssten Bilder in unseren Köpfen erzeugen. Unsere Gefühle aufheizen, indem wir unsere Köpfe von Wörtern befreien.«
    Ihr Lachen klang rau. »Der große Zen-Schweiger. Bis er geil wurde. Dann hatte er keine Schwierigkeiten, mir zu sagen, was er wollte. Er dachte, die Dinge lägen anders, wenn wir da oben sind. Dass ich ihn ranlassen würde. Da kann er lange warten.« Ihre Augen wurden hart. »Inzwischen hasse ich ihn fast.«
     
     
    Ich brauchte einen Tag, um meinen Bericht zu skizzieren.
    Ihre Geschichte lief im Grunde auf verminderte Zurechnungsfähigkeit hinaus, kombiniert mit jener althergebrachten Taktik, der TODDI-Verteidigung: The Other Dude Did It - der andere Typ
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