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Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21

Titel: Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21
Autoren: Jonathan Kellerman
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vorhattet, jedenfalls sind zwei harte Nächte dabei rausgekommen.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Da draußen in der Kälte zu sein. Ohne Toilette.«
    »Das war eklig «, sagte sie. »Es war bitterkalt , und ich hatte das Gefühl, als wäre ich über und über mit Krabbeltieren bedeckt, die mich auffressen wollten. Danach haben mir die Arme und Beine und der Hals wehgetan. Weil ich das Seil zu straff angezogen hatte.« Sie schnitt eine Grimasse. »Ich wollte authentisch sein. Um es Dylan zu zeigen.«
    »Was wollten Sie ihm zeigen?«
    »Dass ich eine ernstzunehmende Schauspielerin bin.«
    »Wollten Sie sonst noch jemanden beeindrucken, Michaela?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie mussten damit rechnen, dass die Geschichte Beachtung in der Öffentlichkeit findet. Haben Sie berücksichtigt, wie andere Leute reagieren würden?«
    »Wer zum Beispiel?«
    »Fangen wir mit Nora an.«
    »Ich habe ehrlich geglaubt, dass sie uns respektieren würde. Weil wir Integrität bewiesen haben. Stattdessen ist sie sauer.«
    »Was ist mit Ihrer Mutter?«
    Sie machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Sie haben nicht an Ihre Mutter gedacht?«
    »Ich rede nicht mit ihr. Sie weiß nichts über mein Leben.«
    »Weiß sie nicht, was passiert ist?«
    »Sie liest keine Zeitungen, aber falls es in der Phoenix Sun stand, wird es ihr vermutlich jemand gezeigt haben.«
    »Haben Sie sie nicht angerufen?«
    »Sie kann nichts tun, um mir zu helfen.« Sie murmelte irgendetwas.
    »Warum nicht, Michaela?«
    »Sie ist krank. Sie hat was an der Lunge. Während meiner ganzen Kindheit hatte sie irgendeine Krankheit. Und als ich auf den Kopf gefallen bin, hat eine Nachbarin mich zum Arzt gebracht.«
    »Ihre Mom war nicht für Sie da.«
    Sie blickte zur Seite. »Wenn sie high war, hat sie mich geschlagen.«
    »Ihre Mom hat Drogen genommen.«
    »Hauptsächlich Gras, aber manchmal auch Tabletten gegen ihre Launen. Die meiste Zeit wollte sie rauchen. Gras und Tabak und Courvoisier. Ihre Lunge ist ernsthaft geschädigt. Sie atmet mit einer Sauerstofff lasche.«
    »Harte Kindheit.«
    Sie murmelte wieder etwas.
    »Das hab ich nicht verstanden«, sagte ich.
    »Meine Kindheit. Ich rede nicht gern darüber, aber ich bin vollkommen aufrichtig zu Ihnen. Keine Täuschung, kein emotionaler Vorhang, verstehen Sie? Es ist wie ein Mantra. Ich sage mir immer wieder: ›Ehrlichkeit, Ehrlichkeit, Ehrlichkeit.‹ Lauritz hat mir gesagt, ich sollte das hier behalten, ganz vorne.« Ein spitz zulaufender Finger berührte eine glatte, bronzefarbene Stirn.
    »Was hatten Sie denn erwartet, was geschehen würde, wenn die Geschichte rauskam?«
    Schweigen.
    »Michaela?«
    »Vielleicht Fernsehen.«
    »Dass Sie ins Fernsehen kommen?«
    »In eine Reality-Show. So was wie eine Mischung aus Punk’d und Survivor und Fear Factor , aber ohne dass jemand weiß, was Wirklichkeit ist und was nicht. Es ist ja nicht so, als hätten wir versucht, gemein zu sein. Wir haben nur versucht, einen Durchbruch zu schaffen.«
    »Was für einen Durchbruch?«
    »Mental.«
    »Und als karrierefördernder Schritt?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Haben Sie gedacht, dass Sie so vielleicht eine Rolle in einer Reality-Show bekommen?«
    »Dylan hat gedacht, es könnte vielleicht dazu kommen«, sagte sie.
    »Sie nicht?«
    »Ich habe überhaupt nichts gedacht … vielleicht hab ich tief drinnen - unbewusst - gedacht, es hilft mir, durch die Wand zu kommen.«
    »Was für eine Wand?«
    »Die Erfolgs-Wand. Du gehst zum Vorsprechen, und sie sehen dich an, als wärst du gar nicht da, und selbst wenn sie sagen, sie rufen vielleicht an, tun sie es nicht. Du bist genauso begabt wie das Mädchen, das angerufen wird, und es gibt keinen Grund dafür, dass etwas passiert. Warum also nicht? Sorg dafür, dass man auf dich aufmerksam wird, tu was Besonderes oder Unheimliches oder Großartiges. Mach was Besonderes aus dir, weil du was Besonderes bist.«
    Sie stand auf und zog einen Kreis durch das Büro. Trat mit einem Schuh gegen den anderen und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Vielleicht hatte sie die Wahrheit gesagt, was ihre Ungeschicklichkeit anging.
    »Es ist ein Scheißleben«, sagte sie.
    »Als Schauspielerin.«
    »Als irgendeine Art Künstler. Alle lieben Künstler, aber gehasst werden sie auch.«
    Sie griff sich mit beiden Händen in die Haare und riss daran, dehnte ihr schönes Gesicht in etwas Reptilienartiges.
    »Haben Sie eine Ahnung, wie schwer es ist?«, fragte sie mit verzerrtem Mund.
    »Was?«
    Sie ließ die Haare
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