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Blutbahn - Palzkis sechster Fall

Blutbahn - Palzkis sechster Fall

Titel: Blutbahn - Palzkis sechster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Fastnachtszeit, was sollte in diesem Jahr noch groß schiefgehen?
Demnächst würde ich auf meiner Terrasse die Grillsaison eröffnen, mich auf die bequeme
Gartenliege werfen und dazu ein oder zwei Pils trinken. Wahrscheinlich würde es
aber wieder so wie im letzten Jahr werden: Herr Ackermann quälte dreimal wöchentlich
den Rasenmäher über seinen englischen Rasen, der rechte Nachbar baute ein Gartenhäuschen
und ließ jede freie Minute seine Kreissäge plärren. Nur der Nachbar gegenüber ließ
es ein wenig geruhsamer angehen: Seine beiden halbwüchsigen Jungs übten Schlagzeug.
    Im Minutentakt starrte ich auf meine
offensichtlich stehen gebliebene Uhr: Noch eine halbe Stunde bis Feierabend. Ich
fläzte mich wieder in meinen Bürostuhl und dachte über den Sommerurlaub nach. Ich
freute mich darauf, mit meiner Frau und den Kindern Paul und Melanie wieder einmal
stundenlang auf der Autobahn im Stau stehen zu können. Nicht genug, darf ich dann
am Ziel die schweren Koffer durch unwegsames Gelände wuchten, weil die Straße vor
der gemieteten Ferienwohnung just zu dieser Zeit wegen Kanalarbeiten aufgerissen
sein wird. Der Rest des Urlaubs wird sicherlich angenehmer. Jedenfalls dann, wenn
es uns gelingt, die unterschiedlichen Interessen sämtlicher Familienmitglieder unter
einen Hut zu bringen. Den Vorschlag zum Besuch einer historischen Altstadt durfte
man heutzutage seinen Kindern nicht mehr unterbreiten. Zu groß ist die Gefahr, dass
sie sofort einen Antrag auf Entmündigung ihrer Eltern stellten. Na ja, es kann auch
ganz schön unterhaltsam sein, im Freien genüsslich ein Bier zu trinken, während
die Kinder von morgens bis abends den elterlichen Geldbeutel strapazieren und ohne
Pause mit der Sommerrodelbahn fahren.
    Meine Uhr hatte es sich nun doch
anders überlegt und den Feierabend eingeläutet. Zehn Minuten später parkte ich den
Wagen zuhause in der Einfahrt und freute mich darauf, meine Familie zu sehen. Selbst
die nervende Nachbarin ließ sich nicht blicken.
    Umso enttäuschter war ich, als ich
bemerkte, dass Stefanie nicht alleine zu Hause war. »Hallo Reiner«, begrüßte sie
mich mit einem Lächeln und ließ dabei ihre langen blonden Haare wehen. »Frau Knoll
will mir gerade noch schnell etwas zeigen, dann haben wir Zeit für uns. Die Kinder
sind noch bei Freunden.« Frau Knoll war, wie ich wusste, eine Nachbarin, die ein
paar Häuser weiter wohnte. Sie gab mir die Hand. »Hallo, Herr Palzki. Keine Angst,
ich bin gleich wieder weg. Ich habe ihrer Frau nur schnell meinen Stammbaum gezeigt.
Genealogie ist doch ein großes Hobby von mir.« Stefanie fing meinen verwirrten Blick
auf. »Genealogie bedeutet Ahnenforschung, mein Lieber. Damit kann man feststellen,
ob man mit Karl dem Großen verwandt ist.« »Von mir aus«, entgegnete ich uninteressiert.
»Gibt’s da noch etwas zu erben? Von diesem Karl, meine ich.« Ich war mir nicht sicher,
ob Frau Knoll meinen Witz als Witz aufgefasst hatte. Stolz präsentierte sie mir
einen stilisierten Stammbaum auf einem etwa einen halben Quadratmeter großen Plakat,
der mit fast unendlich vielen Namen bestückt war. »Dafür habe ich ein Schweinegeld
bezahlt«, erklärte sie selbstbewusst. »Doch ich sehe das als Anschaffung fürs Leben.
Dieser Dr. Rodrigues vom Genealogie-Institut hat meine Vorfahren bis kurz nach dem
Dreißigjährigen Krieg ausfindig machen können. Ein Teil meiner Altvorderen waren
Hugenotten und mussten 1680 von Frankreich nach Baden flüchten.« Ich stierte entnervt
zur Decke, Frau Knoll war wohl nur mittels Kapitalverbrechen zu stoppen. Da die
Aufklärungsquote von Mordfällen in der Region allerdings seit Jahren 100 Prozent
betrug, verwarf ich diese Idee schleunigst wieder. Frau Knoll schnatterte ohne Pause
weiter. Die könnte doch tatsächlich mit Frau Ackermann verwandt sein, dachte ich
mir.
    »Im Jahre 1812 zog Adolph Kremer
nach Ludwigshafen am Rhein in die Innenstadt, da begannen dann unsere heimischen
Wurzeln. Seit fast 200 Jahren wohnt unsere Familie in Ludwigshafen oder Umgebung.
Ist das nicht sagenhaft? Sogar eine Querverbindung zu Konrad Adenauer konnte das
Institut feststellen. Stellen Sie sich vor, Herr Palzki, ich bin mit dem Altbundeskanzler
verwandt!«
    »Und wie sieht es mit Karl dem Großen
aus?«
    Verstört blickte Stefanies Nachbarin
auf ihren Stammbaum. »Hat der vor oder nach dem Dreißigjährigen Krieg gelebt?«
    Um einer Nachhilfestunde in Geschichte
zu entgehen, trat ich die Flucht nach vorne an. »Wann der gelebt hat,
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