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Blutbahn - Palzkis sechster Fall

Blutbahn - Palzkis sechster Fall

Titel: Blutbahn - Palzkis sechster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ich mir in seinem Einzugsgebiet keinen Organspenderausweis
zulegen.
    Ich schlüpfte unter dem Absperrband
hindurch, während mein Kollege, der regelmäßig Marathon lief, lässig und ohne Anlauf
oben drübersprang. Auf Gleis 1, direkt neben dem Hauptgebäude des Bahnhofs, stand
eine rote S-Bahn in Fahrtrichtung Ludwigshafen. Am Ende des Zuges herrschte ziemlicher
Trubel. Ein weiterer Wegweiser für uns war der Zinksarg, der an dieser Stelle auf
dem Bahnsteig stand. Just als wir auf der Höhe der hintersten Tür der Bahn angelangt
waren, kam er heraus. Nein, nicht mein Lieblingsfeind Staatsanwalt Borgia, der mich
stets zu provozieren wusste, sondern Doktor Matthias Metzger. Wie immer trug er
einen schmutziggrauen Arztkittel, aus dessen Seitentasche eine angegammelte Bananenschale
herausspitzelte. Seine langen feuerroten und zum Mittelscheitel gekämmten Haare
wehten in ihrer fettigen Substanz wirr um seinen Hinterkopf. Zusammen mit seinem
nervösen Tic, ein zuckender Mundwinkel, wirkte er wie Klaus Kinski des 21. Jahrhunderts.
Sein bellendes, abgehacktes Lachen ließ mich an der Evolutionstheorie zweifeln.
Sein Blick wanderte langsam von meinem Kopf zu meinen Füßen.
    »Alaaf, Herr Palzki, willkommen
im Narrenzug. Sie haben ja bereits die passende Kleidung an. Setzen Sie sich besser
eine Pappnase auf, drinnen riecht es etwas streng.« Er zeigte auf das Innere des
Zuges und verfiel wieder in sein unmenschliches Lachen.
    »In dieser Region sagt man Ahoi,
Herr Dr. Metzger«, klärte ich ihn auf. »Hat der oder die Tote noch unter den Lebenden
geweilt, als Sie am Tatort ankamen?«
    Metzger stutzte. »Ich bitte Sie,
ich bin nicht Gevatter Tod! Das Geschäft boomt, die meisten meiner Kunden empfehlen
mich weiter. Vor allem die, die es noch können.« Wieder musste ich mir sein Gelächter
anhören.
    »Ich kann Sie und Ihren Kollegen
beruhigen, Herr Palzki. Der Kerl war mausetot, als ich ankam. Teuflisch, teuflisch,
kann ich da nur sagen. Kommen Sie rein, schauen Sie selbst.«
    Er trat beiseite und Gerhard und
ich betraten die S-Bahn. Es stank bestialisch, Metzger hatte nicht zu viel versprochen.
Der Tote saß gleich auf der ersten Vierersitzgruppe. Ich schätzte ihn auf Mitte
60, ein Altersrentner am Beginn seines Return on Investment. Egal, wie viel er in
die Rentenkasse eingezahlt haben mag, es war für ihn umsonst gewesen. Seine seriöse
Erscheinung, er trug einen Anzug mit gedeckter Krawatte und eine sicherlich wertvolle
Brille, wurde durch ein Objekt empfindlich gestört: In seiner Brust steckte ein
Dreizack.
    »Tag, die Herren«, sprach uns eine
fremde uniformierte Kollegin an. »Grün, Donna, ist mein Name, ich bin von der Bundespolizei.
In welcher Funktion sind Sie anwesend?« Sie musterte naserümpfend meine Bekleidung.
    Beinahe hätte ich die Dame mit dem
österlichen Namen gefragt, wo sie ihren Kollegen Karl Frei gelassen hatte, doch
ich wollte der Dame von der Bundespolizei, wie der Bundesgrenzschutz neuerdings
hieß, nicht wegen ihres Namens zu nahe treten.
    »Kriminalpolizei Schifferstadt.
Mein Kollege Steinbeißer –«, ich zeigte auf Gerhard, »und ich bin Kriminalhauptkommissar
Reiner Palzki. Können Sie mir Näheres berichten? Warum ist der Tote bekleidet? Ich
dachte, die erste Leichenschau wurde längst durchgeführt?«
    Dr. Metzger drängelte sich von hinten
in die Unterhaltung. »Ich bitte Sie, Palzki, warum soll ich den Kerl ausziehen?
Auch wenn es eine noch so wichtige Vorschrift ist, der Kerl ist tot. Erstochen,
mit diesem Dreizack, das sieht ein Blinder. Da brauch ich nicht zu schauen, ob er
seine Pockenimpfung erhalten oder eingewachsene Zehennägel hat.«
    So kam ich nicht weiter, ich wandte
mich mit einem erneuten Versuch an die Frau mit dem vorösterlichen Namen. »Gibt
es Zeugen? Warum stinkt es so erbärmlich nach faulen Eiern?«
    Frau Grün deutete auf einen Fleck
und winzige Glasscherben unterhalb der Sitzbank, auf der der Tote saß. »Die letzte
Frage kann ich Ihnen sofort beantworten. Da unten liegt eine Stinkbombe.«
    »Schülerstreich?«
    »Mit tödlichem Ausgang?« Die Beamtin
schüttelte energisch den Kopf. »Allerdings kennen wir seinen Beruf noch nicht. Aber
selbst wenn er Lehrer war, dürfte der Dreizack eher nicht auf einen Schülerstreich
schließen lassen.«
    »Das habe ich auch nicht gemeint«,
rechtfertigte ich mich. »Das eine kann von dem anderen unabhängig sein.«
    Metzger setzte sich neben die Leiche
und zog eine weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum gereifte Banane aus
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