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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute
Autoren: Silvia Roth
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Kopf und musste dabei unwillkürlich wieder an ihre Schwester denken, die früher fast täglich losgeradelt war, um Strandgutzu sammeln – irgendwelche verrosteten Kronkorken, bunte Steine und Stücke von rottenden Tauen. Aus all diesen Dingen hatte sie kleine Skulpturen gebastelt, die sie bunt angemalt und anschließend auf die Fensterbank in ihrem Zimmer gestellt hatte, sodass Ellie oder Conchita sie immer zuerst forträumen mussten, wenn sie zum Fensterputzen ins Herrenhaus kamen. Laura hatte die beiden mehr als einmal darüber schimpfen hören, aber das hatte ihre Schwester natürlich nicht im Mindesten gekümmert. Es war Mia schon immer vollkommen egal gewesen, was andere Leute über sie dachten, und Laura überlegte, ob die vergangenen fünfzehn Jahre an dieser Einstellung etwas geändert haben mochten.
    Oder ob alles beim Alten war.
    Sie hatte ihre Schwester am Telefon gebeten, nicht zum Flughafen zu kommen – und das, obwohl Mia überhaupt nicht angeboten hatte, sie abzuholen. Aber sie hatte sichergehen wollen, dass ihre ersten Schritte auf der Insel unbeobachtet sein würden. Sie brauchte diese kleine Frist, diesen geringfügigen Aufschub des Unvermeidlichen, um sich wieder an den Geruch dieser Insel zu gewöhnen, an die Palmen und den Wind.
    Zu ihrer Erleichterung sah es im Inneren des Flughafengebäudes grundlegend anders aus als früher. Eine Menge spiegelnder Marmorflächen, Gastronomie, Duty-free-Shops – alles wirkte neu und stylish. Vielleicht, dachte Laura mit einem Anflug von Hoffnung, wird es doch nicht ganz so schlimm ...
    An der Gepäckausgabe musste sie eine ganze Weile warten, bis der fleckige graue Plastikvorhang endlich auch ihren Designertrolley ausspuckte. Dann ging sie quer durchdie Ankunftshalle, an die sich der Stand für die Taxen anschloss. Im Gehen zog sie das Handy aus der Innentasche ihres Blazers und schaltete es ein. Nachdem sich das Gerät in das örtliche Mobilfunknetz eingeloggt hatte, verriet ihr eine Begrüßungs-SMS in englischer Sprache, zu welchem Tarif sie ab sofort telefonieren könne. Laura löschte die Nachricht und wählte die Nummer des Herrenhauses. Das ungewohnt klingende englische Freizeichen hallte in ihrem Ohr wider, doch am anderen Ende der Leitung rührte sich nichts. Ob Mia doch auf dem Weg war? Hierher?
    Aber dann müsste sie längst da sein, widersprach Laura sich selbst. Ihre Maschine war nahezu auf die Minute pünktlich gewesen, und die Landung lag bereits eine gute halbe Stunde zurück. Was aller Wahrscheinlichkeit nach bedeutete, dass ihre Schwester sich einfach nur irgendwo aufhielt, wo sie das Telefon nicht hörte. Im Garten vielleicht oder in ihrem komischen Atelier, falls es selbiges überhaupt noch gab. Laura wartete noch eine Minute in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch irgendwann ein Anrufbeantworter einschaltete. Doch das Telefon klingelte einfach weiter ins Leere.
    Irgendwann hatte sie genug und unterbrach die Verbindung.
    Am Taxistand lehnten mehrere Fahrer an ihren Autos und warteten auf Kundschaft. Laura setzte ihre Sonnenbrille auf und ging auf den vordersten Wagen zu. Normalerweise trug sie die Brille nur, wenn sie mit dem Cabrio unterwegs war, aber hier gaben ihr die dunklen Gläser ein Gefühl von Sicherheit, von Tarnung. Auch wenn es nach dieser langen Zeit eher unwahrscheinlich war, dass jemand,der sie nur flüchtig sah, sie wiedererkannte. Sie hatte ihre von Natur aus dunkelblonden Locken schwarz gefärbt, gleich nachdem sie die Insel verlassen hatte, und mittlerweile trug sie einen kräftigen Kastanienton, der ausgezeichnet mit ihrem hellen Teint harmonierte. Gestern Nachmittag war sie beim Friseur gewesen und hatte sich ihre Haare abschneiden lassen, die lang gewesen waren, seit sie denken konnte. Dieser Schritt war ihr irgendwie unumgänglich erschienen, seit sie beschlossen hatte, auf die Insel zurückzukehren, aber er war ihr keineswegs leicht gefallen. Und noch immer griff sie sich instinktiv an den Hinterkopf, um den Sitz der Spange zu kontrollieren, die ihre schönen Locken im Nacken zusammengehalten hatte.
    »Taxi, Miss?«, rief einer der Fahrer mit unverkennbar portugiesischem Akzent, und Laura nickte.
    Der Mann war gerade dabei, ihren Trolley zu verstauen, als ihr Handy zu klingeln begann. Vermutlich rief Mia zurück. Laura bedeutete dem Fahrer, einen Augenblick zu warten, und vergewisserte sich mit einem kurzen Blick auf das Display, dass es nicht Leon war, der sie sprechen wollte. Doch zumindest was das betraf,
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