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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute
Autoren: Silvia Roth
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Zimmer gebracht und die schlafende Laura durch die Glasscheibe ihres Krankenzimmers betrachtet hatte, und Archer hatte sich sofort ins Auto gesetzt. Er war kein Mann, der sich drückte.
    »Auf die Dubois wäre ich im Traum nicht gekommen«,gestand er, und ein Hauch von Schmerz breitete sich über seine markanten Züge. »Wenn wir damals nur ein Stück weiter zurückgegangen wären ...« Er ließ den Satz offen und zuckte resigniert mit den Schultern.
    Leon blickte auf einen herzförmigen Felsen zu seinen Füßen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was in dem pensionierten Beamten vorging. Eine frustrierende Erinnerung weniger, eine quälende Frage mehr. Vielleicht sollten Polizisten und Historiker das Wort »wenn« grundsätzlich aus ihrem Wortschatz streichen, dachte er. Das würde vieles erleichtern.
    »Wie geht es Laura?« Archer hatte sich vom Meer abgewandt und sah ihn an. Erlöse mich, bat sein Blick, erzähl mir irgendwas, das ich noch nicht weiß. Lenk mich ab von den »Wenns« und der anderen, der Schwester.
    Eines der Mädchen ...
    »Sie steht natürlich unter Schock und hat ein paar schlimme Blessuren abbekommen, aber sie wird sich wieder erholen«, antwortete Leon, auch wenn er keineswegs sicher war, was das Erholen betraf. »Sie erwartet ein Baby.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja.«
    »Von Ihnen?«
    Er war ein guter Ermittler, kein Zweifel. »Ich denke schon.«
    Archers Augenbrauen waren das Einzige, was verriet, wie genau er Leons Antwort verstanden hatte. »Laura ist schon immer stark gewesen«, sagte er nach einer Weile, und es sollte wohl ein Trost sein.
    »Ja«, sagte Leon. »Das ist sie ohne Zweifel.«
    Dann sahen sie beide wieder aufs Meer hinaus.
    »Wissen Sie, ob Ihre Kollegen genug Beweise haben, um Cora dranzukriegen?«, fragte Leon nach einer ganzen Weile.
    »Sie hat alles gestanden.« Archer seufzte.
    Leon versuchte, den Blick des pensionierten Beamten einzufangen, und zu seiner Überraschung ließ Archer es zu. Er würde klarkommen, da war Leon ganz sicher. Und »Wenns« wie dieses gehörten nun einmal zu seinem Job. Archer hatte diesen Job achtunddreißig Jahre ausgehalten. Er würde es schaffen.
    Und du?, fragte ein imaginärer Kevin. Wirst du es auch schaffen?
    Leons Augen blieben an einer gelblich schimmernden Muschel kleben. Er hatte viel vor. Er musste einen Artikel über Fritz Ulmann schreiben. Und Tonia aus dieser verdammten Klinik holen. Er musste einen guten Platz für Nummer vierzehn finden. Und eine neue Wohnung mit Kinderzimmer. Oder auch nicht.
    Dieses »Oder auch nicht« bereitete ihm Sorge, zugegeben. Aber das war nicht zu ändern. Die Wahrheit, dachte er mit einem kurzen Seitenblick in Archers Richtung, ist dem Menschen zumutbar.

 
     
    Epilog
     
    Der kleine Junge hatte seinen Eimer so voller Steine geladen, dass er ihn kaum noch tragen konnte. Aber er gab nicht auf. Dafür war er viel zu zäh.
    Der Großvater des Jungen, der die Mühen seines Enkels aus der Distanz verfolgte, lächelte zufrieden. Eileen, seine Tochter, hatte ihn von jeher rasend gemacht mit ihrem Weibchen-Getue und ihrer ständigen Heulerei wegen jeder Kleinigkeit. Aber dieser Junge dort war definitiv ein anderes Kaliber!
    Er ließ sich wieder in seinen Klappstuhl zurücksinken und schloss die Augen.
    Als sein Handy klingelte, erwog er zunächst, das Läuten einfach zu ignorieren. Schließlich war er privat und im Ruhestand. Aber seine Frau neigte zu Vorwürfen, wenn er nicht immer und überall erreichbar war, ein unausrottbares Relikt aus seiner Dienstzeit. Also nahm er das Gespräch entgegen.
    Es war jedoch nicht seine Frau, die anrief, sondern ein ehemaliger Kollege, der sich mit ihm für den Abend zum Kartenspielen verabreden wollte.
    Jason Hearing sagte zu und sah wieder nach seinem Enkel. Doch alles, was er entdecken konnte, war der verbeulte Blecheimer, der dicht am Wasser zwischen den Felsen stand.
    Im Geiste hörte Hearing bereits das Gezeter seiner Frau. Was soll das heißen, nur ein Kratzer? Der arme Junge hat sich die halbe Stirn aufgeschlagen, weil du es nicht fertig bringst, auch nur fünf Minuten vernünftig auf ihn zu achten. Und überhaupt, wieso gehst du mit dem Kind immer wieder an diese verdammte Wüste von einem Strand? Da gibt es doch weiß Gott behaglichere Stellen, mit Bademeistern und Rettungsschwimmern, wo das Wasser nicht Eistemperatur hat ...
    »Ich mag aber gerade diesen Strand«, knurrte Hearing, während er sich aus seinem Stuhl stemmte und langsam auf die Klippen zuging. »Und
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