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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute
Autoren: Silvia Roth
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schmales Büchlein aus einer der Schubladen vor sich. Während sie schrieb, trat Hearing durch die Eingangstür. Der PPU-Mann trug eine dunkle Regenjacke und Bluejeans. Als er die beiden Freunde entdeckte, kam er mit langen Schritten auf sie zu.
    Doch Leon wartete nicht, bis er heran war.
    Er riss der Rezeptionistin den Zettel mit Cora Dubois' Privatanschrift aus der Hand und rannte los.

7
    Laura hörte ihre Schritte in der Dunkelheit. Sie kamen langsam um den Sessel herum. Ein kurzes Zögern, dann schlossen sich ihre Finger um Lauras Handgelenk. Sie fühlten sich eigenartig an, diese Finger, fremd. Und erst mit Verzögerung wurde Laura klar, warum: Ihre Patentante trug Handschuhe. Latex vermutlich, zumindest kein Stoff. Unter der gummiartigen Oberfläche pulsierte die Wärme ihres Blutes.
    Laura versuchte, ihre Muskeln vollkommen locker zu lassen, damit ihre Patentante nicht merkte, dass sie wach war. Sie spürte, wie ihr Arm umgedreht wurde. Dann etwas Kaltes in ihrer Hand. Metall. Ein Griff ... Laura erstarrte. Das Messer!, zuckte es durch ihr Bewusstsein. Sie nimmt meine Fingerabdrücke für ihre Mordwaffe! Sie bereitet meinen Tod vor!
    Als sie die Lider aufriss, schwebten die braunen Augen direkt über ihr. Sie schienen zu lächeln. Im selben Moment traf sie ein Schlag gegen den Kopf.
    Nicht ohnmächtig werden! Du darfst auf gar keinen Fall das Bewusstsein verlieren!
    Unter dem Hieb der Faust hatte sie ihre Augen wieder geschlossen, das Gesicht ausgeblendet, dem sie vertraut hatte, seit sie ein Kind gewesen war. Sie fühlte den Druck ihrer Finger auf ihren Unterarmen und spürte ihre Kraft. Ein halbes Jahrhundert Hass hatte sie stark gemacht.
    Zu stark für mich, dachte Laura verzweifelt.
    Unsinn! Ausreden! ... Kämpf endlich! Grab! Verteidige, was dein ist!
    Sie zwang sich, die Augen wieder zu öffnen, und sah ein Lächeln über sich. Trotz der Dunkelheit konnte sie den Lippenstift auf ihrem Mund ausmachen, das Make-up, das sie aufgelegt hatte, bevor sie gegangen war.
    Sie hat sich geschminkt, extra für dich. Zur Feier des Tages. Zum Schlachtfest ...
    Im selben Moment holte ihre Hand erneut aus. Sie lächelte noch immer. Es machte ihr Spaß. Sie hatte Freude daran.
    Ich habe das Gefühl, jemand trachtet mir nach dem Leben ...
    Laura zuckte. War das ihre Mutter, die da sprach?
    Sie erwartete ein Kind, nicht wahr?
    Laura wand sich unter der Last ihres Körpers und versuchte verzweifelt, ihre Knie zu befreien, sich ein wenig Raum zu verschaffen. Bewegungsfreiheit. Aber all ihre Mühen verpufften ins Leere. Zu sicher der Griff. Zu entschlossen ihr Blick.
    Resigniert starrte Laura auf die erhobene Faust über sich und flüsterte: »Marcel!«
    Das schien sie zu irritieren. Sie sah sich um, blickte über ihre Schulter zum Kamin hinüber, als erwarte sie tatsächlich, ihren Bruder dort stehen zu sehen. Zugleich schien ihr Lächeln einen ersten Riss zu bekommen. Er platzte quer über ihr Gesicht, und für den Bruchteil einer Sekunde lockerte sich ihr Griff.

8
    Pinacle House war bequem zu Fuß zu erreichen, trotzdem nahmen sie Hearings Wagen. Während der gesamten Fahrt blickte Leon wie erstarrt aus dem Fenster.
    Und Kevin redete. In knappen, aussagekräftigen Sätzen brachte er den PPU-Mann auf den neuesten Stand. Er erklärte, was sie sich zusammengereimt hatten, berichtete von Leons Rechercheergebnissen, ohne auch nur mit einer einzigen Silbe zu verraten, wie sein Freund an die betreffenden Informationen gekommen war, und schloss mit dem letzten Mosaikteilchen, das ihnen der langjährige Hotelgast Klaus Albrecht so beiläufig in die Hände gespielt hatte.
    Hearing unterbrach nicht ein einziges Mal. Er stellte keine Fragen, sondern sah einfach nur konzentriert auf die Straße vor sich und schaltete bereits einige hundert Meter vor ihrem Ziel die Scheinwerfer des Ford aus.
    Pinacle House lag in beunruhigender Dunkelheit.
    »Vielleicht sind sie ausgegangen«, mutmaßte Hearing, indem er in einer trotzigen Geste den Zündschlüssel abzog.
    Kevin kniff zweifelnd die Augen zusammen und sah an der adretten Fassade hinauf. »Der Rezeptionsangestellten hat sie gesagt, dass Laura die Grippe hat«, erklärte er. »Das war ja der Grund, warum sie nicht zu diesem Meeting erschienen ist.«
    »Und jetzt?«, fragte Leon.
    »Wir klingeln«, entschied Hearing. »Und wenn sie doch ausgegangen sind, werden wir warten.«

9
    Laura wusste, dass sie diesen winzigen Moment der Unaufmerksamkeit nutzen musste. Er war die einzige Chance, die
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