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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute
Autoren: Silvia Roth
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geliebt haben?
    Mein Großvater ist nach dem Krieg erst mal nach Deutschland zurück, um das Geschäft seiner Eltern wieder in Schwung zu bringen. Sie hatten eine Brauerei in Franken. Das ist in Bayern, Nordbayern. Ich meine, er hatte ja nichts. Also keine Existenzgrundlage ...
    Und seine Geliebte und seinen kleinen Sohn ließ er hier auf Jersey zurück?
    Was hätte er denn machen sollen?
    Sie mitnehmen, zum Beispiel ...
    Ich weiß nicht. Das ging nicht, glaube ich. Er musste doch erst mal gucken, was ihn überhaupt erwartet, zu Hause in Deutschland.
    Aber als er zurückkehrte, war er ein reicher Mann, nicht wahr?
    Ja, er kaufte das Hotel, obwohl es damals ziemlich abgewirtschaftet war. Und es gelang ihm, das Haus innerhalb kürzester Zeit wieder zu einer der ersten Adressen der Insel zu machen.
    Mir scheint, Ihr Großvater war ziemlich gut darin, die Dinge wieder zum Laufen zu bringen, was?
    Ich denke schon. Da nahmen sie sich wohl beide nichts.
    Verzeihung?
    Ach so, entschuldigen Sie. Ich meinte meinen Vater.
    Glauben Sie, dass Ihr Vater darunter gelitten hat, als uneheliches Kind einer Jerrybag – einer »Deutschenhure« – aufgewachsen zu sein?
    Keine Ahnung. Vermutlich.
    Immerhin haben Sie eben gesagt, dass er viele Menschen als seine Feinde betrachtete ...
    Schon, aber ich bin nicht sicher, ob das wirklich mit seiner Kindheit zusammenhing. Das war nur so ein Gedanke. Womit sollte es denn sonst zusammenhängen? Was weiß ich. Mein Vater war total paranoid, was das betraf. Und wie äußerte sich das?
    Er hegte ein tiefes Misstrauen gegen alles und jeden. Und er konnte absolut knallhart sein, wenn ihm jemand krumm kam. Wenn ihm irgendwer ans Bein gepinkelt hat, vergaß er das sein Lebtag nicht wieder. Außerdem hatte er diese Siedlermentalität. Er hortete Unmengen an Lebensmitteln und Kerzen und all das. Und was er einmal in den Fingern hatte, verteidigte er mit Zähnen und Klauen. Selbst wenn es bloß um irgendeinen blöden Haufen Sand ging.
    Sand?
    Ach, vergessen Sie's. Aber haben Sie sich schon mal den Keller angesehen? Die Vorräte da unten reichen aus, um ganz Großbritannien ein Jahr lang über die Runden zu bringen. Und dann wäre immer noch was übrig.
    Mochten Sie Ihren Vater? Als Mensch, meine ich.
    Was hat das damit zu tun?
    Na ja, er ist tot ...
    Stimmt.
    Genau wie Ihre leibliche Mutter.
    Auch richtig.
    Was will dieser Typ eigentlich von mir? Warum sieht er mich so an?
    Ihre Mutter hat vor sechs Jahren Selbstmord begangen, nicht wahr?
    Ja.
    Haben Sie Ihrem Vater das übel genommen?
    Hätte ich sollen?
    Ich weiß es nicht. Sagen Sie's mir.
    Nein.
    Das heißt, Sie haben Ihrem Vater nicht übel genommen, dass Ihre Mutter das Leben nicht ausgehalten hat?
    Ich war noch ein Kind damals.
    Sie waren dreizehn …
    Ja. Dreizehn.

5
    »Aber die 'otel Beau Rivage ist ...«, setzte der Taxifahrer an, als sie ihn unmittelbar hinter der Abbiegung nach Red Houses halten ließ.
    Doch Laura unterbrach ihn gleich wieder.
    »Ich weiß«, entgegnete sie hastig. »Das geht schon in Ordnung.«
    Ganz wie Sie meinen, sagte sein Blick.
    Laura zog ihre Geldbörse aus der Tasche und dachte, dass ihr Vater lieber dreimal um die Insel marschiert wäre, als auch nur einen einzigen Meter per Taxi zurückzulegen. Ich verdiene mein Geld viel zu hart, als dass ich es für irgendwelchen Schnickschnack auszugeben bereit wäre, hatte er oft getönt, und leider hatte sich sein Geiz nicht auf Taxifahrten und ähnlichen Schnickschnack beschränkt. Laura dachte an den Mantel, den sie zum zwölften Geburtstag bekommen und noch mit siebzehn getragen hatte. Und andie Briefe an die Schulleitung von St. Andrews, die ihr Vater ihr in schöner Regelmäßigkeit mitgegeben hatte und in denen er gegen die Anschaffung irgendeines teuren Fachbuchs oder die angeblich viel zu hohen Kosten eines bevorstehenden Schulausflugs protestiert hatte. Und er hatte sich kategorisch geweigert, seinen Töchtern neue Schreibhefte zu kaufen, so lange in den alten hinten auch nur eine einzige Zeile frei gewesen war. Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre, hätten Mia und ich auch noch die Löschblätter beschrieben, dachte Laura, indem sie einen Blick auf den Taxameter warf.
    Mochten Sie Ihren Vater? Als Mensch, meine ich ...
    Sie gab dem Fahrer ein üppiges Trinkgeld, doch der machte sich trotzdem nicht die Mühe, ihr mit dem Trolley behilflich zu sein, sondern betätigte lediglich den Schalter für die automatische Öffnung des Kofferraums.
    Laura ging los, ohne
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