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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz
Autoren: Timo Leibig
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untertrieben. Das ist ein Palast.« Mit großen Augen trat Natalja neben ihn. Ihr Ärger war offensichtlich so schnell verraucht wie der Qualm eines Streichholzes.
    »Wenn du meinst«, brummte Elias und zuckte mit den Schultern. »Es hat mir nie viel bedeutet. Ich war die meiste Zeit bei einer Tagesmutter. Jetzt mag es groß und schick sein, als Kind war es einfach nur karg und kalt.«
    Natalja erwiderte nichts. Sie wollte wohl nicht erneut einen Finger in die offene Wunde legen. Stattdessen drehte sie sich interessiert zur Fotowand um. Neugierig musterte sie die einzelnen Bilder, die - passend zur Wohnung - in kühlen, gebürsteten Aluminiumrahmen hingen.
    »Wer ist das auf dem Foto? Der Mann sieht dir ähnlich.«
    »Das ist mein Großvater Burkard. Er starb, als ich noch sehr klein war. Ich habe nur eine vage Erinnerung an ihn, dass wir zusammen Heidi geschaut und Camembertbrot gemampft haben, aber er muss ein großartiger Mensch gewesen sein.« Elias merkte, wie das erste Lächeln, seit sie sein Elternhaus betreten hatten, über seine Züge huschte. »Zumindest können Erik und ich unsere Wurzeln nicht verleugnen. Die Ähnlichkeit ist einfach zu groß.«
    Natalja nickte und begutachtete bereits ein anderes Foto. Ein dunkelhaariger Mann war zu sehen, Arm in Arm mit einer gut aussehenden Brünetten. Bevor sie eine entsprechende Frage stellen konnte, kam ihr Elias zu vor.
    »Das ist mein Vater zusammen mit meiner Mutter. Sie starb bei meiner Geburt, aber das weißt du ja bereits.« Seine Stimme bebte leicht. Noch immer war die Tatsache schmerzhaft, dass sie wegen ihm gestorben war. Die Geburt war schwierig gewesen und brachte Komplikationen mit sich. Die Ärzte mussten eine schwerwiegende Entscheidung treffen: Maria oder Elias. Irgendwie musste es seine Mutter gespürt haben. Sie teilte den Ärzten mit, dass sie sich für Elias entschieden habe. Sie brachte ihn zur Welt, in dem Wissen mit aller Wahrscheinlichkeit zu sterben. Das war der Grund, warum er jedes Jahr an seinem Geburtstag seine Mutter am Friedhof besuchte. Er war es ihr einfach schuldig.
    Für einige Momente starrte Elias noch auf das Bild seiner Mutter, dann packte er die Reisetasche fester und setzte sich wieder in Bewegung. Natalja folgte ihm wortlos. Der Weg führte durch ein mit venezianischer Spachteltechnik verputztes Treppenhaus nach oben in den ersten Stock. Am Ende des Flures blieb Elias vor einer weißen Holztür stehen.
    »Das ist eines der Gästezimmer. Direkt gegenüber liegt das Bad.« Er deutete mit der freien Hand auf eine andere Türe. »Das Bett ist groß genug für zwei. Wir werden es uns schon gemütlich machen.«
    »Ihr habt mehrere Gästezimmer?«
    »Ja«, antwortete Elias. »Erik hat drei eingeplant, als er das Haus bauen ließ. Frag mich nicht warum, denn es war nie mehr als eines gleichzeitig belegt. Wahrscheinlich nur zur Show. Immer wenn Geschäftspartner zum Essen kamen, hat er sie stolz durchs Haus geführt.«
    Ungläubig schüttelte seine Freundin den Kopf. Diese sinnlose Verschwendung musste ihr wie aus einer anderen Welt erscheinen. Elias öffnete die Tür. Mit Natalja im Schlepptau betrat er das Gästezimmer. Ein breites, französisches Bett stand in der Mitte. Die Wand dahinter im Landhausstil mit grob behauenen Steinen verkleidet, die von mehreren Strahlern in angenehmes, honiggelbes Licht getaucht wurden. Gegenüber ein gewaltiger Schrank, dessen Fronten aus poliertem Nussbaumholz und großflächigen Spiegeln bestanden.
    Mit einer einladenden Geste umfasste Elias das Zimmer. »Hier werden wir die nächsten Tage verbringen. Ich hoffe, es gefällt dir.«
    Mit staunenden Augen sah sich Natalja um. Der Raum hätte auch aus einem Hochglanzprospekt für Edelhotels stammen können. Alles passte zusammen. Die Lichtstimmung, der Raumzuschnitt, die Farben und Materialien.
    »Es ist wundervoll. Und so sauber.« Ihr Zeigefinger strich prüfend über den Holzrahmen des Bettes. »Nicht mal ein Staubkorn auf dem Rand. Wie putzt dein Vater das alles?«
    Mit einem Schnauben ließ Elias die Reisetasche auf den Boden gleiten. »Er putzt überhaupt nichts. Wir hatten schon immer eine Putze, die zweimal pro Woche kam. Ein Tag wurde unten geputzt, das andere Mal hier oben. Für den Garten hatten wir extra jemanden.«
    »Krass! Das Ganze muss doch ein Vermögen kosten?«
    Schulterzucken. »Der alte Mann kann es sich doch leisten. Er verdient ja auch ein Vermögen. Er besitzt mittlerweile fünf Luxushotels in Deutschland. Hier in der Gegend
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