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Blut Licht

Titel: Blut Licht
Autoren: Rebecca Abrantes
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die mitschwingende Sanftmut kaum gemildert werden konnte. Trotzdem verrauchte meine Wut augenblicklich und ließ das aufkommen, was meine Sinne vom Grund meines Herzens aus übermächtig beherrschte. Trauer, Verzweiflung und Leid. Alles verwandelte sich in brennenden Schmerz.
    „Sieh, Kind, und du wirst verstehen.“
    Nein. Ich wollte nichts sehen. Ich wollte auch nichts verstehen. Wozu? Darian war tot. Niemand hatte ihm geholfen. Selbst das hochherrlich geflügelte Kommando dort im Flutlicht nicht. Für mich war es sinnlos, auch wenn Michael mir etwas anderes weismachen wollte.
    Eine weitere Salve bissiger Bemerkung lag bereits auf meiner Zunge, als sich neben mir etwas regte. Verschreckt riss ich meine Hand zurück und starrte auf den Leichnam. Winzige Partikel hell schimmernder Funken lösten sich von ihm ab. Einer, zwei, dann immer mehr. Anfangs schwirrten sie in kleinen Spiralen hinauf in die Luft, zogen dabei größer werdende Kreise und flogen höher und höher. Funken für Funken stieg in die Höhe, schneller und schneller. Zeitgleich löste sich Darians Leib vor meinen Augen auf, bis am Ende nichts mehr von ihm übrig blieb.
    Er war fort. Ich fasste es nicht. Er war nicht nur gestorben. Er war obendrein verschwunden, als habe er niemals existiert. Nichts war mir geblieben außer dem Abdruck seines Körpers im Sand. Jener Sand, der nun meine Tränen aufnahm wie ein ausgetrockneter Schwamm.
    „Du irrst dich, Faye.“
    Nein, das tat ich nicht. Ich hatte ihn vor mir, den leeren Abdruck.
    „Oh doch. Du irrst gewaltig.“
    Nein, ich ... Blitzartig versiegten meine Tränen. Konnte es sein? Verblüfft hob ich den Kopf.
    Vor mir, nur wenige Zentimeter entfernt, steckten zwei leuchtende Füße in geschnürten Sandalen. Ja, Sandalen. Ich blinzelte, sah weiter hinauf und erkannte goldfarbene Beinschienen. Weiter oben war ein Gürtel, in dem an der rechten Seite etwas Zusammengerolltes steckte, das wie eine lange Peitsche aus kunstvoll miteinander verflochtenen Lichtschnüren aussah. Darüber bemerkte ich einen goldenen Harnisch, auf dem verschlungene, silberfarbene Ornamente eingearbeitet waren, die sich fortwährend veränderten und bewegten, als seien sie lebendig. Dann aber machte ich eine leuchtende Hand aus, die mir auffordernd entgegengestreckt wurde.
    „Darian?“ Ich wagte kaum, seinen Namen auszusprechen, geschweige ihn weiter anzusehen. Noch weniger wagte ich, die dargebotene Hand zu ergreifen. Was, wenn es ein Trugbild war?
    „Ich bin es. Vertrau mir.“ Sein Klang war wie immer, wenn ihn etwas amüsierte. Überdies wackelte er auffordernd mit den Fingern. Es konnte nur Darian sein. Aber wie ...
    Ohne seine Hand zu ergreifen, stand ich zögernd auf. Ich brachte etwas Distanz zwischen uns und musterte ihn argwöhnisch. Seine Gesichtszüge waren eindeutig die meines Mannes. Dessen ungeachtet war er vollkommen anders. Irgendwie weicher, weniger kantig und obendrein überirdisch schön. Außerdem strahle er nicht nur vor sich hin, als wolle er zu Michael in Konkurrenz treten - nein. Ihn umgab jetzt eine Aura von unendlichem Sanftmut, die ich zwar oft unterschwellig an ihm entdeckt, jedoch niemals so deutlich empfunden hatte.
    Schlagartig hatte ich begriffen. Ich verkniff mir ein Schluchzen. Bestimmung. Na logisch. Meine Vision. Die Schlacht, ähnlich der unseren heute, dazu der Tod und die Verwandlung des Engels. Meines irdischen Mannes. Ich hatte es immer geahnt. Eigentlich hatte ich sogar gewusst, es nur nie wirklich wahrhaben wollen.
    „Dank dir, Faye, bin ich zurück an dem Ort, an dem alles begann und an dem alles enden musste.“ Ich spürte ihn lächeln. „Verzeih mein Schweigen. Ich konnte und durfte dich nicht einweihen.“ Obwohl mir wenig daran gelegen war, ihm zu verzeihen, wusste ich doch, dass ich es bereits tat. Verlegen nahm ich einen schmutzigen Zipfel meines restlichen Shirts und wischte damit die Tränen fort. Dann sah ich auf und in sein unvergleichlich schönes Antlitz. „Aber warum? Hätte es nicht noch warten können? Wir haben eine gemeinsame Tochter, die dich braucht. Warum jetzt?“
    „Weil es an der Zeit war, Faye.“
    „Zeit.“ Mir entwich ein zynischer Laut. „Ihr und eure unermessliche Menge an Zeit. Was ist mit mir? Ich habe sie nicht. Im Gegenteil. Meine ist sehr begrenzt. Und was ist mit Kain? Habt ihr ihn mitsamt seiner Unsterblichkeit in Betracht gezogen, bevor ihr den Deal für deine Rückkehr ausgehandelt habt? Er wird auf Rache sinnen.“
    „Sorge dich nicht
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