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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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und Schneeflocken herein. Giacomo knurrte Isabella an. Warum begriff sie nicht, wie sehr die Zeit drängte? Der Vagabund war ihm gefolgt, und der Fahrer des Wagens hatte ihn merkwürdig fixiert. Er schlug mit der Pfote auf die Rolle.
    Doch Isabella sah ihn gar nicht mehr an, sie war in dieandere Ecke des Raums geeilt, in der sich Canini verkrochen hatte und winselte. Die Spanielhündin drückte sich immer tiefer in die Ecke, als könne sie im Mauerwerk wie in einer Höhle versinken. Giacomo bellte wieder und brachte immerhin Niccolò dazu, es ihm gleichzutun, beide schlugen nun mit den Pfoten auf die Rolle ein.
    »Jetzt hört doch auf damit!«, rief Isabella. »Canini ist schon ganz verstört.«
    Am Fenster erschien ein Schemen. Oder war es nur der Schatten eines Baumes? Warum bog er sich dann nicht im Sturm?
    Giacomo rannte zu Isabella, biss in ihre Seidenbluse und zog daran. So kräftig, als sei es ein zähes Stück Fleisch.
    »Seid ihr denn alle wahnsinnig geworden? Was soll das, du verrückter Hund? Willst du jetzt auch noch meine Sachen zerfetzen, nachdem du schon die Tür zerstört, Müll hereingeschleppt und die arme Canini verängstigt hast?«
    Giacomo verstand nicht, was Isabella sagte, doch ihren Ärger spürte er. Sie würde ihm nicht helfen, würde dieses Geheimnis nicht lösen. Und der Schatten vor dem Fenster verfinsterte sich. Viel zu sehr.
    In seiner Hilflosigkeit begann Giacomo wie wild seine Flanke zu lecken. Gleißendem Licht gleich entströmte Trüffelduft der verdammten Rolle, und seine Nase ließ sich nicht verschließen!
    Dann hörte er über dem Wimmern Caninis und den weichen, schmeichelnden Worten Isabellas ein Knabbern. Wie von einer großen Maus.
    »Hab den verdammten Mist gleich durch. Plastik ist ja so eklig.« Niccolò spuckte ein Stück aus. Mit seinen kleinen scharfen Zähnen hatte er die Folie gelöst, nur noch eine gute Pfote breit spannte sie über der Rolle. Dann hatte das Windspiel sie durch, wodurch das Innere sogleich an Volumen gewann, als wollte es sich nach der Zeit in Gefangenschaftendlich ausbreiten. Ein neuer Duft lag jetzt im Raum, leicht flüchtig, wie von etwas Vergangenem und doch vibrierend, als entstamme er einem lebendigen Wesen. Etwas Vergleichbares hatte Giacomo noch nie gerochen. Vorsichtig stieß er seinen Fund mit der Schnauze an, woraufhin sich dieser wie von selbst entrollte.
    Es war ein dreckiges Tuch.
    Zwei breite schwarze Streifen teilten es in Drittel, große dreieckige Löcher und Wasserflecken ließen es schäbig erscheinen. Ein unregelmäßiger Schleier schien wie ins Fischgrätmuster gewebt. Hinter den Löchern war ein Stützgewebe angebracht, an zwei Ecken fehlte Stoff – und irgendwie machte es Giacomo Angst. Vielleicht lag es an den Blutspuren.
    »Das wurde gerade noch im Fernsehen gezeigt. Genau das Gleiche!«, sagte Niccolò fassungslos.
    Plötzlich schrie Isabella auf, rannte zu ihnen und fiel vor dem merkwürdigen Fetzen auf die Knie.
    »Um Gottes willen«, brachte sie stockend hervor und wiederholte den Satz immer wieder, als könne er die im Chaos versunkene Welt beruhigen. Sie tippte sich mit ihrer Hand auf die Stirn, dann auf die Brust, die rechte und die linke Schulter. Giacomo verstand nicht. Sie tat es gleich noch mal und senkte ihren Kopf dabei.
    Der Schatten verschwand.
    Oder war er nie dort gewesen? Hatte Giacomo sich alles nur eingebildet? Das Weiß vor dem Fenster war unberührt, als wäre die Welt gerade erst im Entstehen, als wäre niemals etwas anderes da gewesen als Schnee. Isabella streckte ihre Hand vor, langsam und zitternd wie eine Greisin. Dann berührte sie das Stück Stoff, Tränen in ihren Augen. Wie konnte dieser Lumpen Isabella so aus der Fassung bringen?
    Niccolò spürte Isabellas Schmerz, aber er verstand ihnnicht. Warum nur weinte sie? Und wieso streichelte sie das Tuch zärtlich an den Seiten, als wagte sie nicht, weiter mit den Händen über das alte Gewebe zu fahren?
    Als er ihre Gänsehaut sah, legte er sich vor den Türschlitz, um den Wind abzuhalten. Doch an Isabellas Frösteln änderte dies nichts.
    Als Giacomo seine Pfote auf das Tuch legte, schüttelte sie den Kopf und schob den alten Trüffelhund vorsichtig zurück. Mit nervös zuckenden Händen kramte Isabella dann das Handy aus ihrer Jackentasche und versuchte eine Nummer zu wählen. Doch ihre Finger schienen die richtigen Tasten nicht zu finden, immer wieder musste sie neu ansetzen, Schweiß auf ihrer Stirn, obwohl durch die defekte Tür eisige Luft
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