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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser
Autoren: László Darvasi
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sich manierlich zu verbeugen, doch weil ihn Imre zurückzog, machte er es im Sitzen.
    Du ruchloser Mörder!, schrie Herr Schütz.
    Hast du gedacht, Niederträchtiger, ich weiß nicht, wo du dich versteckt hältst?! Weißt du, warum ich dich gerettet habe?! Damit du mit Sicherheit zugrunde gehst! Ich werde dich erwürgen, du Mörder! Du Mörder!
    Seit Jahren bin ich ein sehr schöner Verrückter, bitte sehr, und das werde ich nun auch künftig bleiben!, grinste Kigl. Bitte sich anzusehen, was für ein schöner Verrückter ich bin!, er drehte den Kopf nach allen Seiten.
    Imre warf eine Decke auf den klappernden Redakteur, Klara gab ihm zu trinken und beruhigte unterdessen auch den Doktor.
    Das ist lange her, Doktor Schütz, wer weiß, wie das war, und warum.
    Wir haben einen Journalisten dabei, schreiben Sie einen Report, Kigl!, lachte Peter.
    In der Dunkelheit erschienen feurige Punkte, helles Funkensprühen begrüßte sie, vielarmige Flammengarben beleuchteten den Himmel, Häuser und Ställe brannten, die roten Zungen verzehrten auch ganz große Gebäude und Fabriken, vom Pick-Haus her waren Explosionen zu hören, die Streichholzfabrik knisterte. Noch immer wurden sie vom ruhelosen Wasser hin und her getrieben, die Flut bekam von den Dämmen im Norden ständig Nachschub, jetzt war sie bereits leiser, doch schneller und wirbelnder, es gelang, Richtung Róna-Straße abzuschwenken, dorthin, wo die Zigeuner wohnten. Etwas klopfte gegen die Bootswand, Peter griff ins Wasser, riss aber gleich die Hand zurück.
    Er hat nicht mehr gelebt!, brummte er.
    Dann begann er zu brüllen und deutete zum Himmel, und er hatte recht, denn das schwarze Leinen hatte einen Riss bekommen, es tagte. Sie dachten, dass es vielleicht in der Dunkelheit besser war. Welcher Anblick würde sich ihnen darbieten?! Welchen Zerstörungen würden sie gegenüberstehen?! Irgendwie schafften sie es, die Zigeunersiedlung zu erreichen. Soeben wurden die wehklagenden, gänzlich verzagten Zigeuner mit einigen Kähnen gerettet. Gilagóg stand im Boot auf, plötzlich wurde er groß und würdevoll, er betrachtete sein Volk.
    Du gehörst schon längst nicht mehr zu ihnen, dummer Zigeuner!, rief Herr Schütz.
    Du bist schon längst niemand und nichts mehr für sie!
    Gilagóg blieb überraschend ruhig, das stimme, sagte er, das sei nicht zu bestreiten, doch der Doktor solle noch erleben, dass trotzdem er, Gilagóg, von ihnen erzählen werde. Ob Wasser oder Feuer über sie komme, selbst wenn ein Meer von Scheiße sich über sie ergieße, er werde die Weltgeschichte der Zigeuner erzählen! Das müsse so sein! Nur deshalb gehöre er nicht mehr zu ihnen, das allein sei der Grund, warum er weder ein Teil ihrer Gegenwart noch ihrer Vergangenheit sei, warum er nichts mehr für sie sei, warum er ihr Dreck und ihr Unrat geworden sei, ihr Verrat und ihre ewige Hoffnung.
    Imre griff nach ihm, damit er nicht ins Wasser fiel.
    Kigl lachte wiehernd, nickte, lachte.
    Es dämmerte, der Wind ermattete, und obwohl das Wasser sie immer noch durch starke Strudel und Schnellen führte, war seine Strömung längst nicht mehr so gefährlich.
    Die Stadt gab es nicht mehr.
    Verschwunden waren Straßen, Plätzchen, Gehsteige, Läden, und die ertrinkenden Hausdächer glichen traurigen Sargdeckeln. Entsetzte Menschen warteten auf Hilfe, sie hatten sich an Ästen und Stalldächern festgebunden.
    Am offenen Fenster eines der Bürgerhäuser saß die Wüstenblume und las, als würde sie die aufgewühlte Welt ringsum nicht zur Kenntnis nehmen. Sie beugte sich über ein Blatt Papier, versuchte es zu entziffern. Klara konnte sich nicht erklären, wie sie dorthin, mitten in die Katastrophe geraten sein mochte, doch Imre flüsterte ihr zu, auch er sehe die Wüstenblume genau, und sie sollten Peter nichts sagen, der gerade in eine andere Richtung spähte.
    Warum sollen wir ihm nichts sagen?!
    Sie liest ja gerade seine Zeilen, flüsterte Imre.
    Im nächsten Moment fiel das Haus in sich zusammen, Klara schrie auf, sie packte Imres Hand, vielleicht schlug sie ihn auch, verzweifelt hieb sie auf sein Gesicht und seine Schultern ein, indem er sie an sich zog, versuchte er sie zu beruhigen.
    Herr Schütz schrie, die Welt werde von denjenigen gerettet, die nicht mehr zu ihr gehören! Ihr Fehlen werde zu dem Fenster, in dem die Wahrheit sich zeigt!
    Setzen Sie sich, Herr Schütz!, blaffte Peter ihn an, er war bereits nüchtern.
    Der Morgen schwenkte schwere, graue Schleier über ihren Köpfen. Von den
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