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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser
Autoren: László Darvasi
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Sie waren nur noch ein Spielball, weder Geschicklichkeit noch Sachverstand zählten, höchstens auf ihr Glück konnten sie vertrauen. Nicht weit entfernt hörte man die Rufe der jungen Rettungsleute, jemand war ins Wasser gestürzt, sein Schreien erstarb bald. Die Klügeren hatten sich an starke Bäume gekettet und warteten jetzt, dass sich die Flut austobte. In entfernteren Teilen der Stadt verwundeten Feuerzungen und knisternde Lichtgarben den Himmel.
    Sie trieben an einem brennenden Haus vorbei, Herr Schütz setzte sich im Boot auf, vielleicht wäre er hinausgefallen, hätte Peter ihn nicht am Kragen gepackt. Der Alte deutete in die Richtung, wo die Flammen loderten, ich weiß, dass es schön ist, ich weiß, dass es schön ist!, rief er.
    Das Wasser trug sie bald hierhin, bald dorthin, ein dicker Brei, dreckig, voller Müll und Treibgut, denn es schnappte sich und nahm auf den Rücken, was es nur konnte. Dieses Wasser war nicht die Theiß! Das war der dicke, hungrige Dreck der Katastrophe, eine flüssige Masse, eine Pestflut! Dieses Wasser waren sie, ihre Vergangenheit, ihr Schicksal, ihr Universum!
    In der Gegend der Sülzenstraße hörten sie aus einem Haus Geschrei, endlich gelang es, näher heranzurudern, drinnen flackerten Kerzen, die Flut wälzte sich hoch durch das Zimmer, darauf schwebte ein Sarg wie ein Gespensterschiff. Die Trauernden standen bis zur Hüfte im Wasser, Peter brüllte, sie sollten sich sofort hinausscheren, das Haus breche ihnen über dem Kopf zusammen! Und tatsächlich krachte es mächtig in dem Gebäude, doch die Trauernden schwiegen weiter, sie dachten nicht im Traum daran zu gehorchen. Ach, wie schön!, seufzte Klara, was für ein glücklicher Mensch das wohl gewesen war, wenn sein Tod so viel bedeutet! Der Wind pfiff Hilfe- und Klagerufe über sie hinweg, von Bäumen und Dächern wurde geschrien, sie sahen fackelerhellte Flöße, frierende Familien auf Archen, die aus Zaunlatten zusammengenagelt waren. Schüsse knallten, nicht weit von ihnen waren Bootsinsassen in Streit geraten und schossen aufeinander! Aus einem Haus schrie man ihnen nach, sie machten kehrt und ruderten mit aller Kraft, doch als sie näher kamen, stürzte das Gebäude in sich zusammen. Imre umarmte Klara und keuchte an ihrem Hals, was für ein Seufzen doch in einem solchen Einsturz liege. Es war noch immer dunkel, da und dort loderte eine verirrte Fackel, um dann zischend zu verlöschen. Sie mussten sich in der Mitte der Straßen halten, um nicht von den Häusern begraben zu werden, eines stürzte genau neben ihnen ein und verursachte einen derart starken Sog, dass man Imre fast aus dem Wasser zurückzerren musste. Gilagóg stand fluchend auf, schwankte, auch ihn musste man zurückreißen. Dann und wann schnellten die Fluten mit ihrem Kahn plötzlich nach vorn, Wasser spritzte, sie waren völlig durchnässt und froren.
    Machen wir einen Schwenk zum Krankenhaus!, krähte Herr Schütz.
    Zum Krankenhaus?!
    Ja, Ja!
    Wollen Sie sich vielleicht kurieren lassen?!, lachte Peter dröhnend, er stellte sich eine Flasche auf den Scheitel und balancierte damit. In Gilagógs Geheul mischten sich Bitten um Hilfe, Gebet und Fluch.
    Ins Krankenhaus, ins Krankenhaus!, schrie Herr Schütz.
    Erst nach erbittertem Kampf gelang es, die Mulde der die Stadt teilenden Budaer Straße zu queren, mehrmals wurden sie von den Wassermassen zurückgestoßen und abgetrieben. Die schmutzige Soße wirbelte unermüdlich, nun schleppte siebereits strampelnde Pferde, Fuhrwerke und kleinere Scheunen mit sich. Schweine quiekten sie aus der Dunkelheit an, Kleinvieh klagte, Hunde winselten, die Menschen auf den Dächern hörten nicht zu rufen auf. Die Glocke der Kirche von Rochus wummerte, war der Glöckner etwa nicht geflohen?! Wenn sie auf das blinkende Wasser blickten, ließ sich oft nicht sagen, ob sich eine Menschenhand in die Höhe streckte oder nur Äste und Zweige aus den Fluten ragten. Die Fenster des Krankenhauses waren von Kerzen erhellt, in einem von ihnen kauerte ein Mann aus Haut und Knochen, auch vor seinem Gesicht flackerte eine Kerze.
    Kigl!, rief Imre, Ede Kigl!
    Warten Sie, brüllte Peter, denn es hatte den Anschein, dass sich der alte Mann im Nachthemd gleich aus dem Fenster stürzen würde. Der Bug des Bootes erreichte die Mauer des Gebäudes, und Peter konnte den Übergeschnappten hereinzerren. Kigl krachte auf den Boden des Kahns, doch er setzte sich gleich auf.
    Ich heiße Ede Kigl, stammelte er und wollte aufstehen, offenbar, um
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