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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë
Autoren: Antonia Kerr
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erfahren habe, sind Sie gerade in Rente gegangen. Genau der richtige Zeitpunkt für Muße und Entspannung! Haben Sie einmal darüber nachgedacht, Ihren Ruhestand in der Obhut von Ärzten in einem netten Ambiente zu verbringen? Waren Sie schon mal in Key West, Florida?«
    Ich wusste nicht genau, ob ich tatsächlich schon einmal nach Key West gefahren war oder ob mir bloß Hemingways Romane das Gefühl gaben, dort gewesen zu sein.
    Â»Meine eigene Obhut reicht mir vollkommen; außerdem habe ich gerade ein Nickerchen gemacht.«
    Â»Das
Espadon
kümmert sich um Leute wie Sie, Richard.«
    Mit welchem Recht nannte sie mich Richard?
    Â»Hören Sie, Elin, Elin, so war doch Ihr Name, oder?«
    Â»Erin.«
    Â»Lassen Sie mich einfach in Ruhe, Erin! Und rufen Sie nicht mehr an, haben Sie verstanden?«
    Doch zwei Tage später kam mit der Post eine Broschüre vom
Espadon
, und meine Standhaftigkeit ließ nach. Mit einem Mal reizte mich dieses Ghetto für Alte doch. Ich träumte vom Pool, ich träumte vom Land der polydaktylen Katzen und freilaufenden Hühner, ich träumte von den Krankenschwestern, die für meine Intimpflege zuständig sein würden, kurz gesagt, ich träumte nunmehr die typischen Rentnerträume. Ich nahm mir daher die Annonce für die New York Times noch einmal vor, um Winnipeg durch Key West zu ersetzen, und ein paar Tage später rief mich ein Typ aus Park Slope an und fragte, wo denn das Vorstellungsgespräch stattfinden werde. Ich erklärte ihm, dass es sich nicht um einen Job handele, worauf sein Ton gleich eine Nuance kühler wurde.
    Â»Sie sind schwul«, behauptete er.
    Â»Nein, ich bin nicht schwul.«
    Â»Dann haben Sie keine Freunde.«
    Â»Doch, habe ich.«
    Â»Warum geben Sie dann eine Anzeige auf?«
    Er wollte mich erst einmal treffen, mit dem Argument, er steige nicht zu Unbekannten ins Auto. Wir verabredeten uns in einem Lokal an der Wall Street. Im Schummerlicht der Lampions näherte er sich mir am Billardtisch. Dicke braune Dreadlocks reichten über seine Brust bis zu den Hüften. Angesichts seines wilden Äußeren begriff ich sofort, dass er zu der Sorte Mensch gehörte, die man entweder sehr mochte oder nicht ausstehen konnte.
    Â»Ich heiße John, stellte er sich vor, aber meine Freunde sagen John-John zu mir.«
    Er streckte mir seine Hand entgegen, mit Handflächen so rosa wie die Haut eines Schweines. Die für einen Mann seiner dunklen Hautfarbe erstaunlich hellen Augen waren von einem Gelbgrün, das sonst nur den kostbarsten Edelsteinen eigen ist. Er merkte schnell, dass er auf mich einen platonischen Charme ausübte, der von seinem außergewöhnlich schönen und kräftigen Körper herrührte. Sein T-Shirt mit der Aufschrift FUCK REPUBLICANS schmückte die Abbildung eines Esels, der einen Elefanten von hinten bumste.
    Â»Ich heiße Richard.«
    Â»Darf ich Dick zu Ihnen sagen?«
    Â»Niemand sagt Dick zu mir«, log ich.
    Er eröffnete mir, ein arbeitsloser Kunstmaler zu sein – ich bedauerte ihn pflichtschuldigst. Tags darauf fuhren wir los, denn weder er noch ich hatten Zeit zu verlieren. In der Hoffnung, sich mit seiner Exfrau Marquette zu versöhnen, wollte John-John seiner Familie einen Besuch abstatten, bei der Marquette nach der Scheidung eingezogen war. Verblüfft hörte ich ihn sagen, sie habe mit ihren Schwiegereltern feste Bande geknüpft, auf jeden Fall heiligere als durch ihre Heirat. So wie er mir seine Exfrau beschrieb, kam ich nicht umhin, mir eine schwarze Göttin in hautengen Leopardenleggings auszumalen, aber in einem solchen Outfit stelle ich mir sowieso viele farbige Frauen vor. Die beiden hatten einen siebenjährigen Sohn, Leroy. Vor dem Wiedersehen mit ihm fürchtete sich John-John.
    Â»Früher war es umgekehrt. Da waren es die Kinder, die vor ihren Eltern Angst hatten«, gab ich zu bedenken.
    Â»Das stimmt. Ich bin da ein bisschen merkwürdig.«
    Â»Ach, das sind wir doch alle. Hör mal, hast du was dagegen, wenn ich eine Kassette von John Denver einlege?«
    Â»Ãœberhaupt nicht«, erwiderte er, »im Gegenteil, ich liebe John Denver.«
    Â»Ach ja, wirklich?«
    Dieser Ausruf kam von Herzen. Aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich vor John-John noch nie einem Rastafari begegnet war, der auf Countrymusic stand. Er brüllte: »Rassist!«, bevor er den Refrain von
Country
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