Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë
Autoren: Antonia Kerr
Vom Netzwerk:
die ich an die New York Times schicken wollte: »Weißer Mann sucht Begleiter für Reise nach Kanada«, aber nachdem ich sie mir noch einmal durchgelesen hatte, schien sie mir doch zu zweideutig. Aus Angst, in der Rubrik für Schwule zu landen, formulierte ich um in »Beatnik für Fahrgemeinschaft gesucht«, ohne dass die Anzeige etwas von ihrem Pathos verloren hätte. Noch vor ein paar Jahren hätte ich mich sicher entschlossen, das Flugzeug zu nehmen, aber meine Abneigung diesen fliegenden Objekten gegenüber hatte sich mit dem Alter und der zunehmenden Zahl von Terroranschlägen nur noch verstärkt, und keinem einzigen Flachmann war es auf meinen letzten Dienstreisen nach Europa und Japan je gelungen, meine Nerven zu beruhigen. Da ich zu Fremden bestenfalls ein freundliches Verhältnis hege, reizte mich die Vorstellung, mit einem von ihnen das Innere meines Cadillacs zu teilen, ziemlich wenig. Aber nachdem ich es lange vermieden hatte, mich an der Welt zu reiben, hatte ich mit einem Mal Lust, ein Teil von ihr zu sein. Mein Psychiater Hawthorne sagt, mein Wunsch nach Erlösung rühre von meinen Zweifeln in religiösen Fragen her. Vielleicht täusche ich mich ja hinsichtlich der Nichtexistenz Gottes, und deshalb will ich ihm gern glauben.
    Ich schrieb die Anzeige fünfmal um. Als ich das Büro wieder verließ, war Condoleezza zum Bourbon übergegangen. Ich versuchte, sie aufzumuntern, aber sie war untröstlich. »Was wird bloß aus mir, wenn Sie weg sind?«, wiederholte sie zwischen zwei Schlucken. Um mich zum Bleiben zu bewegen, behauptete sie nun, die Welt sei ein großes Land voller kannibalischer Tiere, die allesamt schlimmer seien als die Milben. Condoleezza gehört zu den Leuten, die mehr Vertrauen zu den Menschen als zu den Tieren haben. Ich bin das genaue Gegenteil: Einzig Tiere finden Gnade vor meinen Augen.
    Meine Trübsal verstärkte sich noch, als ich mich zu einem Nickerchen ins Schlafzimmer begab und mein Blick auf Evelyns Diamantohrringe auf dem Nachttisch fiel, die ich ihr zum 40. Geburtstag geschenkt hatte. Sie hatte nicht nach ihnen gefragt, also hatte ich sie unangetastet da liegen lassen, als Reliquien unserer verlorenen Liebe sozusagen. Ihre Gegenwart verstärkte meinen Schmerz noch, doch lieber litt ich, als das Letzte, das mir von meiner Gefährtin geblieben war, verschwinden zu lassen. Dass sie noch immer dort lagen, beruhigte mich. Im Großen und Ganzen beruhigte mich alles, was sich Veränderungen widersetzte, und meine Gewohnheiten waren an einen präzisen Ablauf geknüpft. Der Mittagsschlaf, der ausgedehnte Spaziergang, die Opernbesuche waren momentan die einzigen wenigstens ansatzweise aufregenden Aktivitäten in meinem Leben. Ich hätte gern Lena geheiratet, um auf andere Gedanken zu kommen, aber für eine Ehe mit einer zwanzig Jahre jüngeren Frau war ich zu müde. Lena schätzte mich ganz gewiss, vielleicht war ich sogar ihr Typ, aber mir war klar, dass sie mich verlassen würde, noch bevor die Glocken zu meinem Achtzigsten geläutet hätten. Und vor allem war es noch nicht einmal sicher, ob sie überhaupt ja sagen würde.
    Es war neun Uhr, als mich das Läuten des Telefons aus dem Schlaf riss. Ich saß auf der Bettkante, noch ganz benommen von meinen Schwarz-Weiß-Träumen von Kim Novak, und wartete darauf, dass das Klingeln aufhören würde und ich mich für meinen täglichen Spaziergang in den Alleen des Battery Parks fertigmachen konnte. Als ich zwei Stunden später nach Hause zurückkehrte, blinkte die Anzeige des Anrufbeantworters rot. Mit Ausnahme meiner Tochter Maddie, die sich immer zu Weihnachten und an meinem Geburtstag meldete, rief mich niemand an. Da beide Anlässe bereits verstrichen waren, ignorierte ich das Blinken und streckte mich zu einer weiteren Siesta aus. Ich war gerade dabei einzuschlafen, als das Telefon erneut schellte.
    Â»Danke, aber ich habe bereits eine Sterbegeld- und eine Krankenversicherung.«
    Â»Herr Harris?«
    Die Stimme kannte mich also erstaunlicherweise.
    Â»Der Zweite«, erwiderte ich.
    Â»Mein Name ist Erin, vom geriatrischen Zentrum
L’Espadon
in Key West. Vielleicht haben Sie ja schon im Radio oder im Fernsehen von uns gehört. Ich würde gern mit Ihnen über Ihre Zukunft sprechen.«
    Â»Oh, nein danke«, antwortete ich, »ich ahne bereits, dass sie ganz fürchterlich sein wird.«
    Â»Wie ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher