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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut
Autoren: Léo Malet
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Spitzbart, ein
fünfter, der überall herumschnüffelte, und schließlich der sechste, der
systematisch einen Stoß Papiere durchsah.
    Als er mich und Dédé erblickte, legte er die
Papiere zur Seite und stand auf. In dem Anzug von der Stange steckte ein
schmächtiger Körper, unter dem Schlapphut leuchteten zwei strenge schwarze
Augen in einem grünlichen Gesicht. Eine feuchte, gelbliche Kippe hing in seinem
Mundwinkel.
    „Ich bin Kommissar Pellegrini“, sagte er, „Ange
Pellegrini. Ihr Ruf ist sogar bis zu mir gedrungen, Monsieur Burma. Erfreut,
Sie kennenzulernen.“
    Konnte schon sein. Deswegen gab er mir aber noch
lange nicht die Hand. Um dem Flic zu demonstrieren, daß ich die von ihm
aufgebaute Distanz nicht einzuhalten gedachte, stellte ich ihm Milandre vor. Er
nickte kurz in Dédés Richtung und fuhr dann fort:
    „Sie hatten also mit Monsieur de Fabrègues zu
tun?“
    „Ja“, antwortete ich. „Vor zwei Tagen erhielt
ich in meinem Pariser Büro einen Scheck und einen Brief von ihm. Auf dem Scheck
standen ein paar Zahlen und in dem Brief stand, ich solle ihm jemanden
schicken. Eine Reise an die Küste erschien mir sehr verlockend, und so hab ich
mich selbst hierher bemüht...“
    „Leider etwas zu spät“, bemerkte Pellegrini
lachend und zeigte auf die Leiche. „Er benötigt Ihre Dienste nicht mehr!“
    „Tja, das haben Sie mir bereits am Telefon zu
verstehen gegeben.“
    Er zog einen Umschlag aus seiner Tasche.
    „Der Brief ist für Sie.“
    Natürlich hatte er ihn schon gelesen. Ich
faltete den Bogen auseinander. Es war eine mit roter Tinte geschriebene,
posthume Botschaft des Mannes, dem keine Zeit mehr geblieben war, mein Klient
zu werden. In länglicher, beinahe femininer Handschrift teilte er mir mit, daß
sein Notar — Maître Dianoux in Nizza — Anweisung habe, mir Francs 5000,- für
diverse Auslagen zu zahlen.
    Es bestand keinerlei Zweifel an der Echtheit des
Briefes. Wortlos wendete ich ihn hin und her.
    „Privatdetektive scheinen ja nicht schlecht zu
verdienen“, bemerkte der Kommissar. „Man bezahlt Sie für nicht grade sehr viel
Arbeit, was?“
    „Nur keinen Neid!“ gab ich zurück. „Komisch...“
Nachdenklich streichelte ich mir das Kinn mit meiner Stierkopfpfeife. „Sind Sie
sicher, daß es sich um Selbstmord handelt?“
    Der Korse zeigte mir seine gelblichen, schiefen
Zähne.
    „Also, Sie sind wirklich sehr gewissenhaft!“
ereiferte er sich. „Nur keine Möglichkeit außer acht lassen! Sie lesen zuviele
Kriminalromane.“
    Ich gab keine Antwort, sondern näherte mich der
Leiche von Pierre de Fabrègues. Der Graf war kein hübscher Mann gewesen. Sogar
sein Gesicht glich eher einer dreckigen Visage. In der rechten Schläfe befand
sich ein Loch, und seine rechte Hand umklammerte einen Revolver.
    „Wie lange ist er tot?“ fragte ich.
    Der Gerichtsmediziner — der mit dem Spitzbart —
sah den Kommissar fragend an, um die Erlaubnis einzuholen, meine Neugier
befriedigen zu dürfen. Der Korse hatte nichts dagegen. So erfuhr ich, daß der
Tod zwischen halb vier und vier Uhr heute morgen eingetreten war. Der Graf
hatte sich im Morgengrauen umgebracht. Die Dienerschaft, die unterm Dach
wohnte, hatte den Schuß nicht gehört. Joseph, der freundliche Butler, hatte
gegen Morgen das Schlafzimmer seines Herrn betreten, dort aber zu seiner
Überraschung das Bett leer und unbenutzt und den Grafen überhaupt nicht
vorgefunden. In diesem Büro hier hatte er schließlich den Grafen so entdeckt,
wie ich ihn jetzt vor mir sah: zusammengekrümmt auf seinem Stuhl, den Kopf auf
der Schreibunterlage, den linken Arm herunterhängend, den rechten — dessen Hand
die tödliche Waffe hielt — auf der Schreibtischplatte ruhend. „Schön ist er
nicht“, stellte ich fest.
    „Aber immerhin ein Aristokrat“, erwiderte
Pellegrini mit verächtlicher Ironie.
    Ich mußte lachen. Der Flic als Revolutionär!
Eine lustige Vorstellung... Ich wandte mich an den Butler:
    „Hat der Verstorbene vorgestern abend oder
gestern morgen ein Telegramm erhalten?“
    „Nein, Monsieur.“
    „Was für ein Telegramm?“ wollte Pellegrini
wissen.
    „Das, in dem ich mein Kommen angekündigt habe.
Meine Sekretärin sollte es aufgeben. Wird’s wohl verschwitzt haben. Seit
einiger Zeit sind wir in der Agentur nicht mehr ans Arbeiten gewöhnt. Ich
meinerseits hab mir ein paar nette Stunden in Lyon gegönnt... Konnte doch nicht
ahnen, daß es bei diesem Fall auf einen Tag ankommt... Und der Graf, der keine
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