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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut
Autoren: Léo Malet
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Milandre seit fast zwei Jahren
nicht mehr gesehen“, nahm ich den Faden wieder auf, während ich mich umzog. „Und
ausgerechnet hier treffe ich ihn! Würde verdammt gerne ein Gläschen mit ihm
trinken. Meine Erinnerungen an ihn sind nicht die schlechtesten...“
    So plauderten wir noch eine Weile, bis die
Flasche leer war. Dann bürstete ich meine Schuhe ab, zündete mir ein Pfeifchen
an und schnappte mir das Telefonbuch. Ich wollte mich bei meinem Klienten für
einen Morgenbesuch anmelden.
    Was mir die Stimme am anderen Ende der Leitung
mit korsischem Akzent erzählte, ließ mich den Hörer auf die Gabel knallen.
Verständnislos sah Leclercq in mein dummes Gesicht. Ohne eine Erklärung
abzugeben, fragte ich ihn, wo ich ein Taxi erwischen könne. Dann ließ ich ihn
allein mit seiner Neugier.
    Zu Milandres Villa an der Straßenecke war es
tatsächlich nur ein Katzensprung. Eine Baumreihe trennte das schmucke Heim von
der Straße. Etwas Pflege hätte dem Anwesen wohl ganz gut getan. Aber auch in
diesem leicht baufälligen Zustand bedeutete es Besitz von Grund und Boden. So
etwas konnte ich nicht vorweisen. Ja, mit der Agentur Fiat Lux konnte
man es weit bringen, vorausgesetzt, man verließ sie rechtzeitig. Oder besser
noch, man trat niemals in sie ein! Dédé — so nannten wir ihn im Familienkreis —
Dédé nämlich war nie mein offizieller Mitarbeiter gewesen. Mehr so ‘ne Art
Gelegenheitsarbeiter. Damals hatte sich seine Tätigkeit darauf beschränkt, mich
auf zwei oder drei Fälle zu stoßen und Klienten zu mir zu schicken.
    Vor der Villa stand ein kleiner Peugeot. Gerade
trat ein Mann aus dem Garten und schloß das Tor hinter sich. Als er sich
umdrehte, um zu seinem Wagen zu gehen, sah er mich und stutzte. Plötzlich
lachte er schallend auf, wobei seine schadhaften Zähne zum Vorschein kamen.
    „Nein, ich täusche mich nicht!“ rief er. „Das
ist wirklich Nestor Burma.“
    Trotz der großen Brille, die sein Gesicht ein wenig
veränderte, erkannte ich den Mann wieder. Es war Dédé. Seine eindrucksvollen
Schultern verdankte er vor allem seinem Schneider. Zu dem zerfurchten,
schlaffen Gesicht und den schmalen Lippen paßten sie jedenfalls ganz und gar
nicht.
    Überschwenglich schüttelte er mir die Hand und
sang weiter das Hohe Lied der Überraschung. Ich hatte es eilig, und ein Taxi
war weder am Stand noch sonstwo zu sehen. Also bat ich Dédé ohne Umschweife,
mich zu einer bestimmten Adresse zu bringen. Da er gerade nichts anderes zu tun
hatte, willigte er beinahe begeistert ein.
    „Die Geschäfte gehen schlecht“, stöhnte ich,
nachdem wir eingestiegen und losgefahren waren. „Als hätten sich sämtliche
Gauner von Paris ‘n ordentliches Benehmen zugelegt, nur um uns arme
Privatdetektive arbeitslos zu machen! Ich zum Beispiel langweile mich zu Tode.
In alten, staubigen Akten zu blättern, das ist auf Dauer wirklich kein
Vergnügen. Als mir dann dieser Fall angetragen wurde, hab ich mich gleich
persönlich draufgestürzt. Sah aus wie ‘n Kinderspiel, höchstens was für den
Scharfblick eines Laufburschen, den es bei Fiat Lux allerdings immer
noch nicht gibt...“
    „Wir sind da“, unterbrach mich Dédé. „Aber...
was ist denn da los?“
    Ein Grüppchen von ungefähr zehn Neugierigen
stand vor dem kleinen Privathaus, dem Ziel meiner langen Reise. Die Leute auf
dem Bürgersteig sahen sich einem Kleiderschrank von Flic gegenüber, der den
Hauseingang versperrte.
    „Ach ja!“ rief ich und stieg aus. „Das hatte ich
ja völlig vergessen! Eben am Telefon hab ich erfahren, daß mein Klient
Selbstmord verübt hat.“
    „Selbstmord?“ Milandre pfiff leise durch die
Zähne. „Da soll doch... Ja, haben Sie ihm denn so sehr Angst eingejagt?“ Ich
drückte mich um eine Antwort und ging zu dem Ordnungshüter.
    „Mein Name ist Nestor Burma“, stellte ich mich
vor. „Ihr Chef, Kommissar Pegrini oder Pellegrini oder so ähnlich... Na ja,
jedenfalls... Er erwartet mich.“
    Das Arbeitszimmer in der ersten Etage war mit
exotischen Kunstgegenständen vollgestopft. Seltsamerweise herrschte über allem
ein Bild von Barbey d’Aurevilly, das ein wenig deplaziert wirkte. In dem Raum
waren sieben Männer versammelt, ein toter und sechs lebendige.
    Es lebten: ein Flic in Uniform, ein Butler — zu
erkennen an seiner gestreiften Weste — , der mich mit einem „Guten Tag,
Monsieur“ begrüßte, so als kenne er mich seit meiner Geburt, dann ein Kerl in
einem Kittel, der Fotos machte, ein vierter mit Brille und
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