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Blitz und Vulkan

Blitz und Vulkan

Titel: Blitz und Vulkan
Autoren: Walter Farley
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schneller unter Vulkans Hufen fort. Alec bückte sich tief und verschwand fast in der wehenden schwarzen Mähne. Jetzt konnte Vulkan von nichts mehr aufgehalten werden, denn jetzt flog er frei dahin wie ein Wildhengst in seinem Element.
    Nur eine kurze Strecke vermochte der Graue Vulkans enormes Tempo zu halten, dann fiel er zurück, machtlos gegenüber den unverbrauchten Reserven an Schnelligkeit und Kraft, die der mächtige Rapphengst entfaltete. Als Vulkan um den letzten Bogen galoppierte und mit gewaltigem Schwung in die Zielgerade hineinschoß, wandten sich ihm die Augen aller 50 000 Zuschauer zu. Er war ein Sinnbild der Kraft und Schönheit, und die Menge verhielt sich fast andächtig still, als er durchs Ziel flog — Sieger mit über zwölf Längen!

    *

    Vom Dach der Haupttribüne aus hielt ein Mann seine Filmkamera auf Vulkan gerichtet, bis er weit hinten auf der Bahn zum Stehen gebracht werden konnte; dann sagte er zu einem anderen Bildberichterstatter: „Noch niemals in meinem Leben habe ich ein Pferd so laufen sehen! Noch nie!“
    „Ich doch“, antwortete der andre, „aber nur ein einziges Mal! Das war Blitz, der Vater dieses Wunderhengstes, und Alec Ramsay ritt auch ihn. Das Leben dieses Jungen ist tatsächlich ein Roman“, setzte er kopfschüttelnd hinzu.
    „Wieso?“
    „Kennen Sie etwa seine Geschichte nicht? Das ist doch kaum möglich! Waren Sie nicht in den Staaten?“
    „In den letzten fünf Jahren habe ich in Peru gelebt, um Inka-Ruinen zu fotografieren.“
    „Daher! Dann werde ich Ihnen die Geschichte erzählen. Alec Ramsay und Blitz waren die einzigen Überlebenden bei einem Schiffsuntergang. Als der Junge heimkehrte nach Flushing, brachte er den schwarzen Hengst mit. Der Zufall fügte es, daß Henry Dailey, der alte Trainer, den beinahe alle schon vergessen hatten, Alec Ramsays Nachbar war. Als Henry den Hengst zu Gesicht bekam, wußte er gleich, was der Junge da in den Händen hatte. Sie trainierten Blitz und wagten es dann, ihn in Chicago in dem großen Wettlauf, der für Donnerkeil und Zyklon arrangiert worden war, starten zu lassen. Er lief den beiden Champions glatt davon! Ich war Augenzeuge. Es war das einzige Mal, daß Blitz auf einer Rennbahn lief, aber er ist allen Freunden des Turfs unvergeßlich.“ Er wandte sich nach der Bahn und Vulkan um und fügte hinzu: „Man könnte glauben, heute sei es dasselbe Pferd gewesen.“
    „Was wurde denn aus Blitz?“
    „Soviel ich weiß, tauchte nicht lange nach diesem Rennen ein Araberscheich namens Abu Isaak auf, der beweisen konnte, daß der Hengst ihm gehörte. Er nahm ihn mit zurück nach Arabien.“
    „Und das ist das letzte, was man von ihm gehört hat?“
    „Soweit mir bekannt, ja.“
    „Aber wie kam Vulkan hierher? Wie hat Alec Ramsay ihn in seinen Besitz gebracht?“
    „Man erzählte mir, daß der Scheich dem Jungen versprochen hatte, ihm das erste nach Blitz fallende Fohlen zu schicken. Er hat sein Versprechen gehalten — Vulkan ist der erste Sohn von Blitz!“
    „Das ist aber ein Glücksfall für den Jungen.“
    „Ganz gewiß! Er zog ihn mit Hilfe von Henry Dailey in demselben alten Stall auf, in dem sie Blitz gehalten hatten. Vergangenen Herbst brachten sie ihn im The Hopeful, dem großen Zweijährigenrennen, heraus. Alles andre wissen Sie. Vulkan ist noch niemals geschlagen worden.“
    „Aus dem alten Stall zum dreifach gekrönten Champion!“ murmelte der andere und sah zum Siegerring hinüber, wo Alec Ramsay auf Vulkan saß, umgeben von Pressefotografen, deren Blitzlichter unaufhörlich zuckten. „Er ist auf der Höhe seines Ruhmes angelangt, jetzt gibt’s keinen alten Stall mehr für den glücklichen Alec Ramsay!“

Ist Alec glücklich?

    Alec ließ die Tür des Umkleidehauses für die Jockeys hinter sich zufallen. Jetzt hörte er das laute Stimmengewirr, welches das Rauschen des Regens übertönt hatte, nur noch gedämpft. Er blieb einen Augenblick an einem Fenster stehen und blickte über den nassen Vorhof hinweg auf die einem Moor gleichende Rennbahn. Dort verweilte sein Blick, während er mit seinen langen Armen in die Ärmel seines Regenmantels fuhr und den Gürtel zuschnallte. Dann ging er die Stufen hinunter, hinaus in den gleichmäßig pladdernden Regen und auf die Tür in dem Eisenzaun zu. Unwillkürlich zog er seinen ungeschützten Kopf tief in den aufgestellten Kragen; daher sah er die hochgewachsene einsame Gestalt nicht, die im Regen stand und auf ihn wartete. „Alec!“ rief der Mann, als der
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