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Blitz schickt seinen Sohn

Blitz schickt seinen Sohn

Titel: Blitz schickt seinen Sohn
Autoren: Walter Farley
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Bitterkeit, daß es ganz falsch von ihm gewesen war, sich in diese Pferdegeschichte einzumischen. Durch ihn war sie nun auch damit verbunden. Sie schüttelte den Kopf und verließ leise das Zimmer.
    Auf den Verandastufen entdeckte sie Henry, den grauen Kopf schwer vornüber auf die Knie geneigt. Sie wunderte sich, wie ein Mensch in so unbequemer Haltung schlafen konnte. Dann sah sie Alec auf dem Liegestuhl. Sie war betroffen: in diesem Gesicht war nichts Bubenhaftes mehr; es war das Gesicht eines jungen Mannes — hart, streng, traurig, enttäuscht!
    Auf einmal fragte sie sich, warum sie so töricht gewesen war, zu glauben, ihre Ängste würden aufhören, wenn man die Quittung nicht fand. Jetzt war ihr klar, daß ein erzwungener Verzicht auf dieses Rennen keineswegs ein Ende bedeuten würde, denn Alec wußte, was er wollte, und das war — mit seinem Pferd Rennen gewinnen! Unendlich oft hatte er ihr das gesagt. Sie hatte sich vorgespiegelt, es würde nur eine Zeitlang dauern; später würde er wieder davon abkommen. Aber als sie jetzt ihren Sohn sah, wurde sie eines Besseren belehrt.
    Leise wandte sie sich um und ging ins Haus zurück. In der Diele hielt sie inne und dachte intensiv nach. Sie sah auf die Uhr, die sich eben anschickte, fünf zu schlagen. Plötzlich wußte sie, was sie zu tun hatte und daß ihr nur noch wenige Stunden Zeit blieben...
    Langsam wanderte sie von Zimmer zu Zimmer; keine Stelle entging ihr, an der die Quittung verborgen sein konnte. Als sie vor der Tür zum Dachboden angelangt war, blieb sie stehen. Dort hinauf stieg ihr Mann niemals; also würde es Zeitvergeudung sein, dort nachzusehen. Nach dem, was er gesagt hatte, mußte er das Blatt am Tage nach dem Sanford-Rennen bei sich gehabt haben. Das war ein Dienstag gewesen. Sie hatte große Wäsche gehabt; also war sie in der Waschküche gewesen, als er aus dem Büro nach Hause kam. Waschtag! Waschküche! Keller! ging es ihr durch den Sinn. Sie hatte ihn kommen hören und hatte ihm zugerufen, er möchte ihr den schweren Wäschekorb aus dem Keller herauftragen. Sie erinnerte sich, daß er beim Tragen auf den Stufen gestolpert war und beinahe hingefallen wäre. Dabei konnte das Blatt aus seiner Tasche geglitten und zwischen den hinten offenen Treppenstufen zu Boden geflattert sein.
    Eilig stieg sie jetzt in den Keller hinunter, um den Boden unter den Treppenstufen abzusuchen, fand jedoch nichts. Sie wollte schon wieder hinaufgehen, als ihr Blick auf den großen Weidenkorb fiel, in dem sie die Wäsche zu tragen pflegte. Sie zögerte. Dort konnte das Blatt auch nicht sein, denn sie hatte den Korb inzwischen schon zweimal wieder gebraucht. Ohne recht zu wissen, warum, ging sie trotzdem zu dem Korb hinüber. Er war leer, das hatte sie ja gewußt. Aber er war mit Plastik ausgeschlagen. Oben am Rand verlief ein Band mit Druckknöpfen, die die Einlage hielten. Vielleicht waren an dem bewußten Tag zwei, drei Druckknöpfe offen gewesen, und das Papier war in den Spalt gerutscht. Hastig riß sie die Druckknöpfe an einer Seite auf. Nichts! Weiter, die andere Seite. Wahrhaftig, da steckte ein zusammengefaltetes Papier. Rasch ergriff sie es, faltete es auseinander und las: »Ich, Alexander William Ramsay, verkaufe mit heutigem Datum den Rapphengst Vulkan an William Augustus Ramsay, meinen Vater, für einen Dollar... « Sie las nicht weiter, sondern drehte sich um und eilte die Treppenstufen hinauf mit den flinken, beschwingten Schritten eines jungen Mädchens.

    NEUNZEHNTES KAPITEL

Heut ist der Tag!

    Drei Viertelstunden vor Beginn des »The Hopeful«-Rennens begab sich Alec in den Umkleideraum der Jockeys. Er war angefüllt mit kleinen, drahtigen Reitergestalten, die alle schwatzten und lachten, und die Luft war geschwängert mit dem durchdringenden Geruch von Liniment, gemischt mit dem der durchschwitzten Kleidungsstücke der Reiter, deren Rennen schon vorüber war. Von nebenan hörte man das Rauschen der Duschen.
    Faltige, wettergegerbte Gesichter wandten sich Alec voller Neugier zu, als er auf einen leeren Schrank zuschritt. Die im »The Hopeful« reitenden Jockeys zogen ihren sauberen Dreß an. Die meisten hatten jemand mit, der ihnen beim Anziehen der Reitstiefel behilflich war. Alec warf einen schnellen Blick durch den Raum. Viele der Jockeys kannte er von den Fotos, die er in den Zeitungen gesehen hatte. Persönlich bekannt war ihm keiner. Er hoffte, Lanny Sansone zu entdecken, von dem er ja wußte, daß er Chef im »The Hopeful« reiten würde,
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