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Blitz schickt seinen Sohn

Blitz schickt seinen Sohn

Titel: Blitz schickt seinen Sohn
Autoren: Walter Farley
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geritten, hatte es mit fliegenden Hufen an den sieggewohnten Turfkönigen vorbeigetrieben und das Zielband weit vor ihnen passiert... Nur Henry wußte von diesen Zukunftsträumen. Gemeinsam hatten sie besprochen, wie sie das Pferd zureiten wollten, nicht nur auf der langen Rückreise damals von Arabien nach Amerika, sondern auch all die vielen inzwischen verstrichenen Monate lang in ihren Briefen. Der alte Mann schwärmte genau wie der Junge, sobald die Rede auf ihr zukünftiges Pferd kam.
    In der letzten Zeit waren Henrys Briefe allerdings immer seltener geworden. Alec vermutete, daß er mit Arbeit überhäuft war, denn Peter Boldt besaß den größten Rennstall des Landes und hatte alle Spitzenrennen des letzten Jahres gewonnen. Ja, sagte Alec zu sich selbst, als er die Stufen zu der Veranda an seinem Elternhaus hinauf ging, Henry hatte mehr zu tun, als ihm zu schreiben, obwohl er nur »einer von Boldts vier Trainern« war, wie er so oft in seinen Briefen betont hatte. Die Anstellung bei Boldt war eine gute Gelegenheit für Henry gewesen, Geld zu verdienen; jeder würde da zugegriffen haben. Was ihn, Alec, allerdings anging, so vermißte er den Freund sehr.
    Auf der Veranda warf er sich in einen Liegestuhl, und Sebastian sprang ihm auf den Schoß. Alec wußte, daß seine Mutter weggegangen war, um einzukaufen, und daß sein Vater frühestens in einer Stunde aus dem Büro heimkehren würde. So hatte er Zeit, wieder einmal ungestört von seinem Pferd zu träumen und Luftschlösser zu bauen... In diesem Augenblick entdeckte er den Brief, der auf dem kleinen Tisch gegen eine Blumenvase gelehnt war. Er sprang auf und betrachtete die Adresse. Einige Sekunden lang tanzten ihm die Buchstaben vor den Augen, dann erst konnte er seinen Namen und den des Absenders entziffern... Langsam ging er zu dem Liegestuhl zurück, schob den winselnden Hund zur Seite und öffnete den Umschlag. Mehrere Schriftstücke kamen zum Vorschein, als erstes eine kurze Notiz mit den ihm wohlbekannten Schriftzügen Abus:
    »Lieber Alec, wie ich Dir versprochen habe, schicke ich Dir jetzt das erste Fohlen von Scheitan. Es reist mit der>Königin von Indien<, die am 30. Juni von Addis Abeba abfährt und am 28. August in New York ankommen soll. Alle notwendigen Papiere füge ich diesem Schreiben bei: die Eigentumsüberschreibung, den Stammbaum, eingetragen im Arabischen Gestütbuch, sowie ein Doppel des Frachtbriefs, damit Du Scheitans Sohn bei seiner Ankunft in New York am Schiff abholen kannst. Ja, Alec, es ist ein Hengstfohlen, kohlschwarz wie sein Vater, nur mit einem kleinen weißen Fleck in Form eines Spitzsterns auf der Stirn... Allah sei mit Dir! Und möge das Fohlen Deine Zuneigung gewinnen wie einst sein schöner Vater! Mit vielen lieben Grüßen von uns allen! Abu Jakub Ben Isaak.«
    Alecs Augen waren feucht, als er den Brief gelesen hatte. Er schämte sich, daran zu denken, daß es Augenblicke gegeben, in denen er dem Versprechen des Scheichs mißtraut hatte. Während er die beigefügten Dokumente durchlas, winselte Sebastian, der sich vernachlässigt fühlte. Alec streichelte ihn automatisch.
    Ja, alles war vorhanden, wie es der Scheich angegeben hatte. Alles, was notwendig war, um das Fohlen als sein Eigentum auszuweisen. Nun war alles doch genauso gekommen, wie er und Henry es sich erträumt hatten! Dies war der Anfang! Alec sprang plötzlich auf und schrie so laut »Hurra!«, daß der Hund zu bellen begann; dann folgte er Alec, der durch die Veranda rannte. Als er die zur Diele führende Tür aufstieß, bückte er sich und gab dem von seiner Aufregung angesteckten Seb ein paar scherzhafte Klapse auf das Hinterteil. »Jetzt bekommst du bald einen Spielgefährten!« rief er glückselig, »und was für einen!« Von Seb begleitet, stürzte er die Treppe hinauf in sein Zimmer, legte auf dem Schreibpult einen Briefbogen zurecht und nahm den Füller zur Hand. Bevor er zu schreiben begann, flog sein Blick zum Fenster hinaus und blieb an dem alten Stallgebäude gegenüber haften und dem weiten grünen Feld dahinter. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis dort wieder ein Pferd weiden würde, sein Pferd! Und der alte Napoleon würde wieder einen Kameraden in der Box neben der seinen haben! Abu Jakub hatte geschrieben, das Schiff würde am Achtundzwanzigsten ankommen, und heut war der Dreiundzwanzigste! Eifrig wandte sich Alec dem bereitgelegten Briefbogen zu und fing an zu schreiben: »Lieber Henry...«

    DRITTES KAPITEL

Tückische
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