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Blitz der schwarze Hengst

Blitz der schwarze Hengst

Titel: Blitz der schwarze Hengst
Autoren: Walter Farley
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hellroten Nüstern des Pferdes, das
den Kopf zu der Öffnung herausstreckte, die in die obere Hälfte der Tür
geschnitten war, um den Stall wenigstens einigermaßen zu lüften.
    Alec trat langsam auf den Hengst zu. Er steckte
die Hand in die Hosentasche, um nachzufühlen, ob der Zucker noch darin war, den
er vom Abendbrottisch mitgenommen hatte. Der Wind wehte ihm entgegen und trug
seine Witterung davon. Er war jetzt ganz nahe. Der Rappe blickte auf die offene
See hinaus; seine Ohren waren vorgelegt, die Nüstern bebten, die dunkle Mähne
flog wie eine vom Wind hochgewehte Flamme. Alec konnte die Augen nicht von ihm
wenden; er faßte es nicht, daß es ein so vollkommenes Tier auf der Welt gab.
    Der Hengst wandte sich ab und schaute ihn
geradewegs an; seine schwarzen Augen flammten. Wieder erfüllte das
durchdringende Wiehern die Abendluft, und er verschwand im Stall. Alec nahm den
Zucker aus der Tasche und legte ihn auf die Fensterbrüstung. Dann begab er sich
in seine Kabine. Als er später zum Stall zurückkehrte, war der Zucker nicht
mehr da. Von da an stahl sich Alec jeden Abend zum Stall, legte Zucker auf die
Brüstung des Fensters und ging weg; manchmal sah er den Rappen; mitunter hörte
er ihn nur auf den Boden stampfen.
     
     
     
    ZWEITES KAPITEL

Der
Sturm
     
    Die »Drake« legte in Alexandria, Bengasi,
Tripolis, Tunis und Algier an, fuhr dann durch die Meerenge von Gibraltar und
folgte nordwärts der Küste Portugals. Als sie bei Kap Finisterre an der
spanischen Küste vorbeikamen, sagte Kapitän Watson zu Alec, daß sie in wenigen
Tagen in England landen würden.
    Alec hätte gern gewußt, warum der Rappe nach
England befördert wurde — ob zu Zuchtzwecken oder für Pferderennen. Die
abfallenden Schultern, die tiefe, breite Brust, die kräftigen Beine, die nicht
zu hoch und nicht zu tief angesetzten Knie, all dies deutete, wie sein Onkel
ihn belehrt hatte, auf Geschwindigkeit und Ausdauer hin.
    Als Alec eines Abends seinen üblichen Gang zum
Stall unternahm, hatte er besonders viel Zucker in der Tasche, den ihm der Koch
auf seine Bitte für das Pferd gegeben hatte. Es war ein schwüler, warmer Abend;
schwere Wolken verdunkelten die Sterne; in der Ferne wetterleuchtete es. Der
Rappe streckte den Kopf zum Fenster heraus. Auch diesmal schaute er aufs Meer,
und seine Nüstern bebten mehr denn je. Er wandte sich um und wieherte, als er
den Knaben sah; dann kehrte er sich wieder dem Wasser zu.
    Alec freute sich: Zum erstenmal hatte sich der
Hengst bei seinem Anblick nicht in den Stall zurückgezogen. Er trat näher,
legte sich ein Stück Zucker auf die flache Hand und hielt es dem Hengst hin.
Der Rappe wandte sich ihm zu und wieherte abermals, diesmal leiser. Alec wich
und wankte nicht. Noch nie war er oder irgendein anderer dem Pferd so nahe
gekommen, seit es sich an Bord befand. Er wagte es jedoch nicht, den Arm bis zu
den entblößten Zähnen und den geblähten Nüstern zu strecken. Statt dessen legte
er das Stück Zucker wie gewohnt auf die Fensterbrüstung. Der Rappe blickte
darauf, dann wieder auf den Knaben. Langsam ging er hin und verzehrte den Zucker.
Zufrieden schaute ihm Alec zu und legte ihm die übrigen Zuckerstücke hin. Dann
begann es zu regnen, und er lief in seine Kabine.
    Mitten in der Nacht wurde er mit erschreckender
Plötzlichkeit aus dem Schlaf geweckt. Die »Drake« rollte schwer, und er war aus
der Koje auf den Boden gefallen. Draußen krachte ein Donnerschlag nach dem andern,
und riesige Blitze erhellten seine Kabine wie Tageslicht.
    Ein schweres Gewitter! Er wollte das Licht
anknipsen; aber die Lampe brannte nicht. Augenscheinlich versagte die
Stromversorgung. Dann erhellte wieder ein Blitz die Kabine. Der kleine
Toilettetisch war wie reingefegt, der Fußboden mit Scherben bedeckt. Eiligst
zog Alec sich Hemd, Hose und Schuhe an und ging zur Tür. Auf einmal hielt er
inne, kehrte zum Bett zurück, holte darunter eine Schwimmweste hervor und
schnallte sie um. Er hoffte, sie nicht brauchen zu müssen, aber Vorsicht schien
doch ratsam zu sein.
    Er machte die Tür auf und stieg schwankend an
Deck. Die Gewalt des Sturmes trieb ihn in den Gang zurück; er klammerte sich
ans Treppengeländer und spähte in die schwarze Leere hinaus. Die Kommandos des
Kapitäns und die Antwortrufe der Besatzung übertönten das Brüllen des Windes
kaum. Augenscheinlich waren alle Mann an Deck. Große Wellen überschwemmten die
»Drake« vom einen Ende bis zum andern. In dem engen Gang zum Deck drängten
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