Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blitz bricht aus

Blitz bricht aus

Titel: Blitz bricht aus
Autoren: Walter Farley
Vom Netzwerk:
Pferdekopf, der ihm mit aller Gewalt die Zügel nehmen wollte. Er brachte sein Pferd näher an den Außenzaun, indem er das Gebiß hart gegen die Winkel des Pferdemauls drückte. Range Boß wehrte sich noch wütender als zuvor, und plötzlich brach er aus und lief in die Mitte der Bahn zurück. Der Junge verlor das Gleichgewicht; er wurde nach vorn geschleudert und mußte sich an den Hals des Pferdes klammern. Er fühlte, wie sich der riesige Körper unter ihm erneut zu unerhörter Anstrengung sammelte, um den so weit vor ihm galoppierenden Nachtwind einzuholen. Er schloß die Augen und stammelte unter lautem Schluchzen: »Blitz! O Blitz!« Er ließ die Zügel hängen, seine Augen öffneten sich, und er schrie: »Blitz! Und ich bin Alec Ramsay! Jetzt weiß ich es wieder... Ich heiße Alec Ramsay, und das ist Blitz.« Eine ungeheure Freude überflutete ihn—er war frei, war endlich erlöst von der grausamen Dunkelheit, die ihn so lange umfangen hatte. Er konnte sich wieder an alles erinnern, auch an seinen Sturz aus dem Flugzeug in die Baumkronen, das Krachen und Splittern der Äste, den Aufprall auf dem Boden. Die Einzelheiten des Geschehens, nachdem er wieder zu Bewußtsein gekommen war, blieben nebelhaft, aber er konnte sich an sein Umhertappen in der Nacht erinnern, an die auftauchenden Scheinwerfer, an seine lange Fahrt, die kein Ende zu nehmen schien, und dann schließlich, daß er sich in der Wüste befand. Vage konnte er sich auf jene ersten Stunden mit Gordon besinnen, der ihn zu seiner Hütte gebracht hatte; aber mit Sicherheit wußte er jetzt, daß er niemals in Salt Lake City gewesen war und nichts mit einem Raubüberfall zu tun hatte.
    All das kehrte in Alec Ramsays Gedächtnis in blitzartig aufleuchtenden Bildern zurück; dann sah er nach vorn. Sie gingen eben um den letzten Bogen. Nachtwind galoppierte nur noch zwei Längen vor ihnen. Sein Jockey gebrauchte wieder die Peitsche, um ihn im Schwung zu halten und nicht wieder ins Bummeln geraten zu lassen, weil er jetzt allein an der Spitze lief. Alec nahm die lose hängenden Zügel und schrie: »Lauf, Blitz, lauf!« Jetzt war er eins mit seinem Pferd; er wußte es und sein Pferd ebenfalls! Der Hengst reagierte auf den Anruf mit unerhörter Beschleunigung seines Tempos, die Erde flog unter seinen dahinwirbelnden Hufen in großen Brocken in die Luft. Mit einem Schlage war der Widerstreit des Willens weggewischt, der sie bisher in diesem Rennen getrennt hatte; der Hengst mußte nicht mehr gegen das krampfhafte Anziehen der Zügel kämpfen, die er in seinem ganzen Leben vor dem heutigen Tage noch nie zu fühlen bekommen hatte. Jetzt klang ihm der wohlvertraute Name in die Ohren; jetzt war alles wieder herrlich und harmonisch wie in alter Zeit.
    »Lauf, Blitz, lauf!!«
    Jeder Muskel des riesigen Tieres folgte dem anfeuernden Ruf. Als er in die Zielgerade kam, schob er sich mit weiten, ausgreifenden Sprüngen an die Seite des dunkelbraunen Champions.
    Das Gebrüll der Menge dröhnte in Alecs Ohren. Jetzt ritt er wieder wie früher in Belmont Park oder Churchill Downs. Sie rasten die Gerade hinunter. Sein Körper folgte allen Bewegungen seines Pferdes, hob und senkte sich im gleichen Takt; er atmete kaum. Sein Hut flog ihm vom Kopf. Nachtwinds Jockey ritt, als ob sein Leben davon abhinge. Einige Sekunden donnerten die Hufschläge des Braunen neben denen des Rappen dahin, dann fiel Nachtwind schnell zurück. Sein Reiter sah Alec an, und ein plötzliches Wiedererkennen stieg in seinen Augen auf, als er ihn nun ohne Hut erblickte.
    Alec stieß wieder einen Schrei aus; erst jetzt fiel ihm ein, was dieses Rennen auch für ihn und Blitz bedeutete. Er erinnerte sich an all die Siege in den großen klassischen Rennen, die Nachtwind im letzten Jahr gewonnen hatte, und trotzdem rannte ihn Blitz, der jahrelang keine Rennbahn mehr betreten hatte, in Grund und Boden! Die Galoppsprünge des Hengstes wurden immer noch weiter, als er in unglaublicher Geschwindigkeit über die Zielgerade fegte. Mit einem donnernden Rhythmus, der die Stimmen auf den Tribünen verstummen machte, jagte er dahin, eine schwarze Flamme, kein Pferd mehr, sondern ein Phantom, ein fliegender Schatten für die Augen der Zuschauer. In stummer Huldigung sahen sie zu, wie er das Rennen siegreich beendete.
    Die Tribünen erwachten erst wieder zum Leben, nachdem er die Zielgerade längst verlassen hatte. Aber selbst dann erfolgte nicht die übliche donnernde Ovation; nur Rufe größten Erstaunens wurden laut,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher