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Blinder Instinkt - Psychothriller

Titel: Blinder Instinkt - Psychothriller
Autoren: Andreas Winkelmann
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bunte Vorhänge farbenfroh erhellte Fenster wurden zu toten Augen. Zeitgleich verschwanden die hingeworfenen hellen Rauten auf dem gestutzten Rasen vor dem Gebäude eine um die andere, wie bei einem übergroßen Memoryspiel, dessen Spieler unsichtbar blieben. Der Rasen wurde schwärzer, die Nacht fester. Auch die leise Symphonie der Geräusche - hier und da ein helles Lachen, gedämpfte Rufe, Klappern, Scharren von Stuhlbeinen -, die aus den gekippten Fenstern drang, verhallte in einem perfekten Diminuendo, und als das letzte Fenster geschlossen wurde, kehrte Ruhe ein.
    Die Mädchen und Jungen, die auf den drei Etagen des langgestreckten Gebäudeflügels lebten, schliefen aber nicht sofort ein. Vereinzelt flammten Lichter wieder auf und erloschen erneut. In der dritten Etage, ganz links außen, brannte eines länger als alle anderen. Dort gab es keine Vorhänge, denn das Fenster bestand aus Milchglas. Es war der Duschraum der Jungen, und wahrscheinlich hatte einer vergessen, hinter sich das Licht zu löschen. Die Nachtaufsicht holte es mit zehnminütiger Verspätung nach.
    Plötzlich war alles schwarz. Seine ans Licht gewöhnten Augen benötigten einen Moment, um sich darauf einzustellen, und während dieser Zeit hörte er überdeutlich jedes
Rascheln und Knacken. Eine Gänsehaut lief seinen Rücken hinab. Er sah über seine Schulter zurück, konnte aber nichts erkennen.
    Dunkler Wald allein machte ihm keine Angst, ganz im Gegenteil. Er konnte sich darin verstecken, war vor Blicken sicher, gleichzeitig bot er ihm die Möglichkeit, das Gebäude über einen längeren Zeitraum unbemerkt zu beobachten. Hier gab es keine Sicherheitsmaßnahmen außer einem zwei Meter hohen Maschendrahtzaun, und es würde ein Kinderspiel sein, da ein Loch hineinzuschneiden. Die Drahtschere dafür trug er in der Jackentasche bei sich.
    Die verebbende Angst wurde nach und nach von Aufregung abgelöst, und diese sorgte für ein unangenehmes Kribbeln in seinen Beinen. Er hasste dieses Gefühl, es stahl ihm seine Ruhe, brachte die eben noch sortierten Karten durcheinander. Oft wurde er gerade nachts davon heimgesucht, und wenn es mal wieder so weit war, wenn selbst das Ablegen der Damen, Buben und Könige nicht half, dann konnte er einfach nicht ruhig sitzen oder liegen bleiben.
    Auch jetzt nicht!
    Also sprang er auf von dem umgestürzten Baumstamm, auf dessen harter Borke er die letzte Stunde reglos verbracht hatte. Er vertrat sich die Beine, die durch das lange Sitzen steif und ein wenig taub geworden waren. Das alte, trockene Laub des letzten Jahres raschelte unter seinen Füßen. Er hob den Arm, schob den Ärmel der Jacke etwas zurück und warf einen Blick auf seine Digitaluhr, deren Anzeige auf Knopfdruck blau leuchtete. Von jetzt an, da sämtliche Lampen in dem Wohnheim erloschen waren, würde er genau eine Stunde warten. Bis nach Mitternacht. Eine gute Zeit!
    Natürlich erforderte es Geduld, eine Stunde tatenlos verstreichen
zu lassen, und Geduld war leider nicht erlernbar, sie kam und ging. An einem Tag war sie sein Freund, am nächsten kannte sie ihn nicht mal mehr. Und er hatte weiß Gott versucht, sie zu domestizieren, übte sich immer noch darin. Leider meist vergeblich.
    Sein großer Vorteil war, dass er Zeit hatte. Noch drängte es nicht. Sollte es heute Nacht nicht passen, dann würde er morgen wiederkommen oder nächste Woche oder in der Woche darauf. Er konnte jedes Risiko umgehen, wenn er sich nicht selbst unter Druck setzte, das war ihm klar.
    Er riss den Kopf herum, als hinter einem der Fenster in der zweiten Etage Licht aufflammte - es war ihr Fenster!
    Sein Mädchen verfügte über eine besonders ausgeprägte Sensitivität, das wusste er. Spürte sie die Gefahr? Lag sie dort oben in ihrem Bettchen, angespannt, die Decke bis zum Kinn hochgezogen? Sicher nahmen ihre Ohren jedes noch so feine Geräusch wahr, filterten sogar elektrische Schwingungen aus der Luft, die ihre Kopfhaut kribbeln ließen.
    Die Vorstellung des zitternden Mädchens dort oben, das ihn zwar spüren, aber nicht sehen konnte, erregte ihn ungemein.
    Während er auf das erleuchtete Fenster starrte, öffnete er Gürtel, Knopf und Reißverschluss, schob Hose und Unterhose hinunter. Schnell wurden seine Bewegungen hektisch, und gerade als dort oben das Licht erlosch, ließ er sich mit einem unterdrückten Grunzen auf die Knie fallen.
    Plötzlich erklangen das laute Schlagen von großen Flügeln und der Ruf einer Eule. Er fuhr hoch, sah sich hektisch um. Sofort
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