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Blinder Instinkt - Psychothriller

Titel: Blinder Instinkt - Psychothriller
Autoren: Andreas Winkelmann
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Zukunft beeinflusste - es zumindest versuchte.
    Die vierte Runde war diesmal sein Ziel. In der vierten, kurz vor dem Gong, würde er seinen Gegner zu Boden schicken. Ein Sieg nach Punkten kam nicht in Frage. Die Menschen da draußen hatten Karten für einen Kampf im Schwergewicht gekauft, der Königsklasse des Boxsports. Sie erwarteten eine klare Entscheidung, die nicht durch irgendwelche Ringrichter und das Zählen von Punkten herbeigeführt wurde, sondern durch das donnernde Aufschlagen eines schweren Körpers auf dem Ringboden. Am Ende
musste einer stehen und einer liegen, dann waren die Show perfekt und die Zuschauer zufrieden.
    Sollen sie haben , dachte Max, und von mir aus noch ein wenig Blut dazu.
    Er schickte seine Fäuste aus, ließ seine Beine einen Tanz aufführen, den sie blind beherrschten, und sah dabei den Hünen von La Spezia zu Boden gehen, schwer getroffen von seinen harten Schlägen. Die Handschuhe klatschen gegen den Boxsack, regelmäßig, links links, rechts, links links, rechts - seine Variante eines Metronoms, dessen Klang ihn zu hypnotisieren vermochte. Er fühlte sich locker, ruhig und überlegen.
    Als seine fünf Minuten vorüber waren, kurz bevor Kolle an die Tür klopfte, stellte Max sich vor den Boxsack, legte die bandagierten und in seine blauen Handschuhe verpackten Hände an die Seiten und die Stirn gegen das weiche Leder. Er bildete sich ein, in dem Sack ein Pulsieren zu spüren, hervorgerufen durch seine Schläge. Ein paar Sekunden in dieser Stellung, das letzte visualisierte Bild, das seinen Gegner ausgeknockt am Boden zeigte, noch einmal heraufbeschwören und es in die andere Kabine schicken, damit der schon mal wusste, was auf ihn zukam.
    Aber das Bild erschien ihm nicht. Stattdessen sah er Sina. Sah sie so, wie er sie für alle Zeiten in Erinnerung behalten würde. Als wäre sie nur eine Fotografie, kein realer Mensch, welcher den Zwängen der Zeit unterworfen war - und auf eine grausame Weise stimmte das ja auch. Nur Farbe auf Papier, statisch, unfähig zur Veränderung. Ihr rundliches Gesicht mit der Stupsnase, von deren Flanken in einem schwungvollen Bogen Sommersprossen bis unter die graugrünen Augen verliefen, darüber die hellen Wimpern, nicht
rot wie ihr Haar, sondern je nach Lichteinfall durchsichtig, weizengelb oder mit dem Hauch einer zartrosa Schattierung.
    Sina!
    Sie lächelte nicht. Sie schien sich auch nicht sicher zu fühlen in seinem Rücken, so wie sonst immer. Ihr Gesicht hatte einen erstaunten, vielleicht sogar ängstlichen Ausdruck - und sie sprach auch nicht den Zaubersatz!
    Dann klopfte es an der Tür und sie war weg. Mit ihr verschwand seine Konzentration und Fokussierung auf das Ziel des heutigen Abends. Das war nicht gut, überhaupt nicht gut!
    Obwohl er nicht »Herein« gesagt hatte, öffnete Kolle die Tür und betrat die Kabine.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.
    Max, noch immer abgelenkt, hörte das Stirnrunzeln seines Trainers in dessen rauchiger Stimme, ohne es sehen zu müssen.
    »Max?«
    Erst jetzt drehte er sich um. »Ja … alles klar, von mir aus kann’s losgehen.«
    Kolle trat vor ihn hin, hob seine Hände an und überprüfte noch einmal den perfekten Sitz der Handschuhe. Er war mit seinen eins siebzig einige Zentimeter kleiner als Max und sah ihm von unten herauf in die Augen. Seine grauen Pupillen, in die sich neuerdings feine weiße Splitter mischten, fixierten ihn, stellten wortlos Fragen und bekamen aus Max’ Augen ebensolche Antworten.
    Schließlich schien er zufrieden zu sein. Er nickte leicht und hob seine Hände, die offenen Handflächen Max zugewandt.
    »Dann lass uns gehen. Die anderen sind schon draußen.«

    Kolles Stimme klang noch heiserer als sonst. Sie hatten viel und hart trainiert für diesen Abend, er hatte viel geschrien und seine Stimmbänder schienen beleidigt zu sein.
    Max schlug seine Boxhandschuhe klatschend in die Hände seines Trainers.
    »Auf in den Kampf!«, sagte er und erfüllte damit ihr kleines Ritual.

3
    Dunkelheit und Stille hatten sich zeitgleich über das Haus am See gelegt. Ohne Mondlicht waren die mächtigen Stämme der Douglasien da draußen vor dem Fenster nichts weiter als verkohlte Finger, die gen Himmel wiesen.
    Unheimlich!
    Franziska wandte sich vom Fenster ab, schritt durch ihr Kinderzimmer, öffnete die Tür und lauschte. Sie hatte sich nicht getäuscht. Rücksichtsvoll leise gestellt lief unten im Wohnzimmer der Fernseher. Ein bisschen was von seinem fahlblauen Licht fand den Weg die
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