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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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lange gezögert, ehe ich anfing zu schreiben. Ich habe ein sehr erfolgreiches Leben hinter mir und könnte das Vermögen genießen, das ich angehäuft habe. Wenn mich mein Gewissen nachts schlafen ließe. Da sind Bilder in meinem Kopf, Bilder und Geräusche. Ich habe die Presse studiert, die Berichte und Analysen gelesen. Die Journalisten haben keine Ahnung, was das eigentlich war, das wir da aufgezogen haben. Am Beginn des Projekts hatte ich die Hoffnung, es rasch zum Abschluss zu bringen. Dass wir trotz des Drucks der Aktionäre und ihrem Verlangen nach raschen Gewinnen bald zu unseren höheren Zielen zurückkehren könnten. Ich habe alles geopfert, wirklich alles. Ich könnte mich mit meinem Erfolg zufriedengeben, doch es will mir nicht gelingen. Zu viele Menschen sind gestorben. Ich könnte mich nun natürlich herausreden, sagen, dass ich das alles nicht gewollt habe, dass das nicht vorherzusehen war. Doch das würde nichts ändern. Ich könnte einfach zur Polizei gehen und alles aufdecken. Aber ich möchte auch verstehen, wie es so weit kommen konnte. Was mich dazu gebracht hat, die Entscheidungen zu treffen, die ich treffen musste. Ich möchte noch einmal alles Revue passieren lassen, von Anfang an, auch wenn das unweigerlich schmerzliche Erinnerungen in mir wachrufen wird. Denn in Wahrheit hat diese schreckliche Geschichte schon viel früher begonnen.
    Ich weiß noch nicht, wohin mich dies führen wird. Ich weiß nicht, ob ich in der Lage sein werde, alles zu offenbaren. Ich weiß nicht, ob ich immer den Mut haben werde, mir selbst ins Gesicht zu schauen.
    Noch habe ich die Wahl: Alles zu erzählen oder zu schweigen.
    * Ein Glossar mit den gängigsten Pokerbegriffen befindet sich am Ende des Buches. Wir laden den Leser ein, dort nachzuschlagen. (Die Autoren)

I

    Ein Jahr vor der Entscheidung
    7. Oktober bis 8. Dezember

1

    Im Spiel ist man nicht frei,
jeder Spieler ist im Spiel gefangen.
    Milan Kundera, Das Buch der lächerlichen Liebe

    Amsterdam, 7. Oktober
    Lars konnte sich nicht entschließen. Er brauchte dringend Geld, trotzdem wanderte er unruhig vor dem Haus auf und ab. Vier Messingschilder nannten die Firmen, die hier ihre Büros hatten. Lars wagte sich einfach nicht hinein, beinahe so, als gäbe es dann kein Zurück mehr. Lieber noch ein paar Runden auf dem Bürgersteig drehen, eine Zigarette in der Hand als Zeichen seiner Anspannung – Lars rauchte selten einfach zum Vergnügen.
    Warum weigerten sich seine Eltern auch so hartnäckig, ihm aus der Patsche zu helfen? Sie hielten immer nur große Reden über Verantwortung und Unabhängigkeit. Lars hatte sich so gefreut, als sie ihm die Wohnung im Zentrum von Amsterdam gemietet hatten. Endlich konnte er an allen Feten teilnehmen, fand Anschluss an seine Kommilitonen und musste nicht mehr jeden Morgen abseitsstehen, wenn sich die anderen augenzwinkernd über ihre Erlebnisse vom Vorabend austauschten. Außerdem sparte er so pro Tag mehr als eine Stunde Fahrzeit zur Amsterdam Business School, wo er seit einem Jahr eingeschrieben war. Bis dahin hatte er immer den Zug von Bloemendaal nehmen müssen, dem schicken Villenviertel fünfundzwanzig Kilometer vor Amsterdam, wo seine Eltern wohnten.
    Dumm nur, dass er seinem Vater gar nicht richtig zugehört hatte, als der erklärte:
    »Wir zahlen dir die Miete, aber der Rest ist deine Sache.«
    »Kein Problem«, hatte er geantwortet, ohne weiter darüber nachzudenken, was das hieß.
    Aber schon bald war ihm klar geworden, dass er sich eine Arbeit suchen musste.
    In seiner Begeisterung über diesen Neubeginn war es ihm nicht schwergefallen, einen Job in einem Fast-Food-Restaurant aufzutreiben, wie es viele andere Studenten machten. Doch schon bald wurde ihm das lästig, und er fand immer einen Grund, nicht zur Arbeit zu erscheinen. Beim zweiten Mal erhielt er eine Abmahnung, beim dritten Mal wurde er rausgeworfen. Obwohl er damit schlagartig ohne Einkünfte dastand, gab er weiterhin viel Geld aus, wenn er abends mit seinen Freunden umherzog. Es hielt ihn einfach nicht in seiner Wohnung. Er dachte nicht lange nach und verschob die Lösung des Problems auf später. Schon nach drei Monaten blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Eltern anzubetteln. Obwohl die Bedingungen eindeutig gewesen waren, überraschte ihn die brüske Ablehnung seines Vaters:
    »Nein. Wir haben eine Abmachung getroffen. Du kannst gerne wieder hier einziehen, aber durchfüttern werden wir dich nicht.«
    Lars versuchte ein paar rhetorische
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