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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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KPharma.
    Der Innenhof lag verwaist da, der Mond schimmerte schwach durch das Glasdach. Doktor Neumann öffnete die Tür, alles lag im Dunkeln. Er ging ins Büro, um einen kurzen Bericht über die abendliche Unterredung zu schreiben und seine E-Mails zu sichten. Sein Gast hatte ihm bereits ein Memo geschickt, das in knappem, professionellem Ton formuliert und mit Begriffen wie »unbedingt überprüfen«, »sofort umsetzen«, »auf keinen Fall vergessen« gespickt war. Er fühlte sich, als hätte man ihm eine Pistole auf die Brust gesetzt.
    Er druckte sich die »Empfehlungen« seines Gesprächspartners aus und verließ das Büro, um ins Testlabor zu gehen. Dazu öffnete er eine Tür mit der Aufschrift »Privat«, passierte eine für Außenstehende nicht erkennbare Sicherungssperre und stieg eine steinerne Treppe hinab. Er gelangte in ein düsteres Kellergewölbe und blieb nach ein paar Metern vor einer weiteren Tür stehen. Nun musste er seinen Zugangscode in ein Kästchen neben der Klinke eingeben. Mit einem elektronischen Surren öffnete sich die Tür. Hier war alles hell erleuchtet. Hinter einer Glasscheibe saßen zwei Laboranten in weißen Kitteln über ihre Mikroskope gebeugt. Als sie Doktor Neumann bemerkten, kam der Jüngere der beiden auf ihn zu.
    »Guten Abend, Doktor.«
    »Guten Abend, Jonas. Woran arbeiten Sie gerade?«
    »Wir versuchen wieder, das Molekül zu isolieren, um es mit der neuen Wirkstoffkombination zusammenzubringen. Wir erhoffen uns eine stabilere Verbindung.«
    »Wann können wir einen neuen Test wagen? Was meinen Sie?«
    »In einem Monat vielleicht, ich denke, so lange werden wir …«
    »Einen Monat? Das ist viel zu lang, Jonas! Ich komme gerade von einem Essen mit einem Mitglied des Bostoner Teams. Wir müssen unbedingt Ende des Monats fertig sein.«
    »Aber die machen sich doch keine Vorstellung, was das konkret bedeutet. Wir haben bereits wichtige Zwischenschritte ausgelassen und damit das Projekt deutlich verkürzt. Wir können doch nicht einfach mit dem Leben der Leute spielen! Wenn wir nicht sorgfältig vorgehen, sind die physiologischen und psychologischen Risiken nicht zu kalkulieren. Wir sind noch gar nicht in der finalen Testphase angekommen! Die Moleküle, die wir verwenden, wirken quasi unmittelbar auf die Neurotransmitter und erzeugen eine Hyperaktivität, die die Probanden unberechenbar machen könnte. Wie sollen wir da ihre Reaktionen vorhersehen?«
    »Ich fürchte, uns bleibt keine Wahl. Es steht einiges auf dem Spiel, und ich versichere Ihnen, dass ich genauso argumentiert habe wie gerade Sie. Doch Boston will Resultate sehen, egal wie sie zustande kommen. Sie haben bereits gigantische Summen investiert, wir können nicht mehr zurück, auch wenn wir kein nebenwirkungsfreies Medikament anzubieten haben.«
    »Aber wie soll dieses Produkt jemals die Zulassung bekommen, wenn wir uns nicht an die Vorschriften halten?«
    »Hören Sie, Jonas, kümmern Sie sich um den wissenschaftlichen Kram. Und ich besorge den Rest. Ich garantiere Ihnen, die Kommissionen werden nicht das Problem sein. Was ich von Ihnen will, sind brauchbare Daten! Zögern Sie also nicht, die Dosen in den laufenden Testreihen zu erhöhen, wenn es Ihnen nötig erscheint. Ich will davon nichts Näheres wissen. Alles, was mich interessiert, sind verwertbare Resultate.«
    Jonas begriff, dass es sinnlos war, weiter zu argumentieren. Seine bisherigen Forschungsergebnisse zu Dopaminergika eröffneten langfristig unendliche Verwendungsmöglichkeiten. Doch ohne eine vernünftig kalkulierte Zeitspanne setzte man die Probanden unvorhersehbaren Risiken aus.
    »Übrigens«, fuhr Dr. Neumann fort, »möglicherweise taucht hier in nächster Zeit ein Journalist namens van Manneken auf. Er interessiert sich brennend für das, was er ›die dunklen Seiten der medizinischen Forschung‹ nennt. Sehr wahrscheinlich ist er im Besitz von streng vertraulichen Firmenakten. Vor zwei Jahren hat er einen riesigen Wirbel wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen für Lieferungen von Medikamenten mit abgelaufenem Verfallsdatum nach Afrika gemacht. Ich muss wohl nicht näher erläutern, dass Sie seine Fragen so neutral wie möglich zu beantworten haben. Keine Bewertungen! Sie sind in der Forschung tätig, Sie hoffen, einen Beitrag zum medizinischen Fortschritt zu leisten, zum Wohle der Gesundheit aller, blabla. Das ist alles. Erzählen Sie ihm was von unseren Grundsätzen. Er wird Ihnen nicht glauben, aber dadurch gewinnen wir Zeit. Stellen Sie
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