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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel
Autoren: Ursula Poznanski
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reagiert.
    Friedensverhandlungen einmal mehr im Ansatz gescheitert, dachte sie. «Wohin genau?» Sie kramte im Stiftehalter nach einem Kugelschreiber, der funktionierte, fand aber nur einen halb ausgetrockneten, grünen Textmarker. Der musste reichen.
    Florin gab ihr eine Wegbeschreibung durch. In der Nähe des Fundorts lag ein Campingplatz, dort würde sie parken können, und dort würde er auf sie warten.
    Feste Schuhe, eine Jacke, Haare zusammenbinden. Aber vorher musste sie noch mit Achim sprechen.
    «Es tut mir leid, wirklich, aber …»
    «Ein Notfall», führte er ihren Satz zu Ende. «Ja. Ist es das nicht immer?» Er klang resigniert, aber nicht angriffslustig, ganz anders als sonst. «Wer war dran? Wenninger?»
    «Ja. Florin. Er ist schon unterwegs zur Fundstelle.»
    «Du hast es also eilig.» Achims Lächeln wirkte angestrengt, aber es war da. Er gab sich wirklich Mühe.
    «Ja. Danke, dass du es verstehst», sagte sie vorsichtig. «Würdest du warten, bis ich zurück bin? Wegen der Kinder – und vielleicht können wir anschließend noch ein Glas trinken?»
    Jetzt senkten sich seine Mundwinkel, aber wenigstens blieb die Stimme freundlich. «Wenn du wiederkommst, schnarche ich längst auf der Couch. Ich habe nicht vergessen, wie das abläuft, machen wir uns keine Illusionen.»
    «Danke.» Sie lief ins Schlafzimmer, zog sich um, küsste die Kinder und saß innerhalb von fünf Minuten im Auto. Ein wenig beschämt über ihre eigene Erleichterung und Dankbarkeit Achim gegenüber. Als ob er etwas Besonderes geleistet hätte, indem er ihr keine Szene gemacht hatte.

    Sie stieg aus dem Auto und roch Brathuhn. Der Duft kam aus dem Bistro des Campingplatzes und erinnerte Beatrice daran, dass sie kaum etwas von ihrem Truthahn gegessen hatte.
    War vermutlich auch besser so. Florin hatte nichts über den Zustand der Leichen gesagt. Es war gut möglich, dass ein voller Magen sich mit ihrem Anblick nur schlecht vertrug.
    Sie band sich die Schuhe fester zu und nahm die Jacke vom Rücksitz. Am Waldrand hatte sich eine Gruppe von Campern zusammengerottet, drei Polizisten in Uniform sprachen mit ihnen und sorgten gleichzeitig dafür, dass niemand zwischen den Bäumen verschwand.
    Dann entdeckte sie Florin. Er saß an einem Tisch vor dem Campingplatzbistro und unterhielt sich mit zwei jungen Männern. Sehr jungen Männern, wie Beatrice beim Näherkommen feststellte, höchstens neunzehn. Beide waren blass, einer hielt sich die Hände vor den Mund, als sei der Geruch von gebratenem Huhn zu viel für ihn.
    Florin winkte Beatrice dazu. «Gut, dass du da bist. Das hier sind Samuel Heilig und Daniel Radstetter. Studenten aus Freiburg, die ein paar Tage hier campen.»
    Beatrice schüttelte beiden die Hand. Die von Radstetter war eiskalt und feucht, trotz der sommerlichen Temperaturen.
    «Ich bin Beatrice Kaspary. Landeskriminalamt, genau wie mein Kollege. Ich vermute, Sie haben die Toten entdeckt?»
    Samuel Heilig schluckte und schloss kurz die Augen. «Wir waren spazieren, mit dem Hund. Unsere Freundinnen sind im Zelt geblieben.»
    Seiner Aussprache nach kam er aus Schwaben.
    «Der Hund hat plötzlich wie wild zu bellen begonnen und uns weitergezerrt. Zu einer … Mulde hin. Einer Senke, wo ziemlich viel Gestrüpp wächst und dort –» Heilig unterbrach sich und warf seinem Freund einen hilfesuchenden Blick zu, aber der schüttelte nur den Kopf.
    «So schlimm», flüsterte er, die Hände immer noch vor dem Mund.
    «Ich gehe es mir ansehen.» Beatrice schob ihren Stuhl zurück und stand auf. «Ist Drasche schon hier?» Sie spähte zum Parkplatz hinüber, ohne das Auto des Spurensicherers zu entdecken.
    «Nein, aber er ist auf dem Weg.» Florin winkte einen der uniformierten Polizisten zum Tisch. «Bleiben Sie bitte bei den beiden Zeugen.»
    Mücken umschwirrten Beatrice und Florin schon am Waldrand, begleiteten sie auch, als sie in den Schatten der Bäume traten. Sirren und Summen. Am Fundort würde es noch schlimmer sein. Ein Fest für die Fliegen.
    Schweigend überwanden sie eine leichte Steigung. Beatrice spürte, dass Florin sie von der Seite ansah. Besorgt. Wirkte sie so mitgenommen?
    «Mit mir ist alles in Ordnung», erklärte sie.
    Er nickte und lächelte. «Gut zu wissen.»
    Sie überlegte, ob sie ihn fragen sollte, was sie in der Senke erwartete. Auf welchen Anblick sie sich einstellen musste. Doch dann ließ sie es bleiben. Es würde ihren ersten Eindruck zunichtemachen.

    Beatrice konnte den Fundort der Leichen hören,
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