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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel
Autoren: Ursula Poznanski
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sie von der Seite, ganz offensichtlich wartete er darauf, dass sie nach den anderen Sachen fragen würde, aber ihr war nicht danach. Sie wollte durch diesen Park spazieren, mit dem Gefühl, Zeit zu haben.
    Etwas war abgeschlossen. Etwas anderes war im Begriff, zu beginnen. Vielleicht.
    «Schau mal!» Florin war stehen geblieben. Er deutete auf eine Parkbank und direkt daneben einen überquellenden Papierkorb. «Sieht Iras Foto sehr ähnlich. Könnte die gleiche Bank sein.»
    Zumindest auf den ersten Blick. Beatrice betrachtete sie näher, berührte das grün lackierte Holz, das warm war von der Sonne. Vielleicht war das ein guter Ort, um einen Punkt hinter den Fall zu setzen. In aller Ruhe, den Blick auf die Festung Hohensalzburg gerichtet, die gegenüber auf ihrem Festungsberg lag. Ein weißes Schloss.
    Florins Handy schrillte in ihre Gedanken, der laute, durchdringende Büroton. «Geh ruhig ran.»
    Sie setzte sich, ließ sich von der Bank wärmen und holte das Notebook aus ihrer Umhängetasche.
    «Ach, Bechner, hallo. Was gibt’s?»
    Sie verband es mit dem Internet und rief Facebook auf.
    «Was? Oh. Ich verstehe. Danke.»
    Beatrice verstand auch. Sie wusste, dass Ribar gestorben war, noch bevor Florin ihr die Nachricht bei zugehaltenem Handymikrofon zuflüsterte. Sie klickte auf den Link zu Lyrik lebt .
    «Ja? Was denn noch?» Er drehte sich zur Seite. «Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Okay, meinetwegen, stell sie durch.» Er entfernte sich ein paar Schritte, und Beatrice hörte ihn nur noch «Frau Crontaler, hallo» sagen.
    Sie suchte das Foto mit der Bank. Da war es. Und nein, es war nicht die gleiche, auf der sie gerade saß, aber sie sah ihr sehr ähnlich, und der Mirabellgarten war groß.
    Weiter zurück in den Beiträgen. Postings von Toten und Lebenden.
Sei er noch so dick,
Einmal reißt der Strick.
Freilich soll das noch nicht heißen,
Daß gleich alle Stricke reißen.
    Obwohl sie wusste, dass es gelöscht worden war, suchte sie nach dem «Weißen Schloß in weißer Einsamkeit», nach dem Bild des lächelnden, unversehrten Ribar mit seiner Frau. Seiner Witwe. Aber natürlich war es nicht da.
    Weiter zurück. Sie scrollte und scrollte, auf der Suche nach etwas, das sie noch nicht kannte. Schließlich fand sie einen Beitrag von Ira, dem sie bisher keine Beachtung geschenkt hatte. Vier Monate war er alt.
Ira Sagmeister Wie fandet ihr das Gedicht mit der Rose gestern? Ich bekomme es nicht aus dem Kopf.
    Düster und schön, so beschrieb es eine gewisse Silke Hernau, während Irena Barić daran zweifelte, dass es sich wirklich um eine Rose gehandelt hatte. Irena, die Frau, der zwei Finger fehlten. Kurz darauf Nikola, der seine Neugier darüber bekundete, wo Ira diese Rose gesehen haben wollte. Und er bekam eine Antwort: bei einem Brunnen nahe einer Kirche.
    Beatrice scrollte weiter zurück, suchte das dazugehörige Gedicht, fand es.
Ira Sagmeister
Ich sah des Sommers letzte Rose stehn,
Sie war, als ob sie bluten könne, rot;
Da sprach ich schaudernd im Vorübergehn:
So weit im Leben ist zu nah am Tod!
15 Personen gefällt das
    Das Gedicht war wirklich schön, fand Beatrice. Sie überlegte, ob Ira Boris Ribar wohl am Residenzbrunnen gesehen hatte, von dem aus der Dom nur ein paar Schritte entfernt war.
    Ira war eine Löwin, hatte Nikola gesagt.
    Eine Löwin, ein Panther.
    Eine Rose.
    So weit im Leben ist zu nah am Tod.
    «Viel zu nah», murmelte Beatrice. Hörte, wie sich Florins Schritte auf dem knirschenden Kies näherten.
    «Ich kann und will Ihnen keine weiteren Auskünfte geben», blaffte er in sein Handy, untypisch laut. «Aber bei Gelegenheit erkläre ich Ihnen gern, was die Kernaufgaben der Kriminalpolizei sind. Die erfüllen wir. Guten Tag.»
    Als er vor ihr stand, schüttelte er den Kopf, mit gequältem Lächeln, das aber echter wurde, je länger er sie ansah. «Frag erst gar nicht. Wollen wir weitergehen?»
    «Gleich.»
    Sie las das Gedicht noch einmal. Fuhr mit dem Mauszeiger über Iras Namen, dann unter das Gedicht. Klickte Gefällt mir , bevor sie das Notebook zuklappte und Florins ausgestreckte Hand ergriff.

    ENDE

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    Über Ursula Poznanski
    Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren. Sie war als Journalistin für medizinische Zeitschriften tätig. Inzwischen widmet sie sich ganz dem Schreiben und lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien.

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    Über dieses Buch
    Zwei Tote in Salzburg. Sie stranguliert, er erschossen. Die Tat eines zurückgewiesenen
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